Biologie

Jede dritte Baumart ist vom Aussterben bedroht

Neue Rote Liste zeigt erschreckenden Artenschwund in weltweiten Wäldern

Bäume
Jede dritte Baumart weltweit ist vom Aussterben bedroht.© Smileus/ Getty images

Die Weltnaturschutzunion IUCN schlägt Alarm: 38 Prozent aller Baumarten weltweit sind vom Aussterben bedroht, wie eine neue weltweite Erhebung enthüllt. Mindestens 16.425 der gut 47.000 untersuchten Baumarten weltweit sind demnach betroffen – darunter auch tausende vom Menschen genutzte Arten. Die Zahl der bedrohten Baumspezies ist gut doppelt so hoch wie die aller bedrohten Vögel, Säugetiere, Reptilien und Amphibien zusammen. Gleichzeitig wirkt sich das Schwinden der Baumvielfalt gravierend auf viele dieser Tiere aus.

Wälder bilden die grünen Lungen unseres Planeten – mehr als drei Billionen Bäume produzieren in ihnen Sauerstoff, schaffen Lebensraum für tausende Tiere und binden CO2. Mindestens 73.200 verschiedene Baumspezies sind bisher bekannt, ihre Verbreitung reicht von den Tropen bis in die polare Taiga. Doch den meisten Wäldern und ihren Bäumen geht es schlecht: Sie werden abgeholzt, leiden unter Hitzewellen, Dürren und Schädlingen und werden von Waldbränden zerstört.

Gefährdete Baumarten
Anteil der vom Aussterben bedrohten und gefährdeten Baumarten. © IUCN/ Global Tree Assessment

38 Prozent aller Baumarten droht das Aussterben

Jetzt hat die internationale Weltnaturschutzunion IUCN eine erste globale Rote Liste der Bäume veröffentlicht – sie zeigt den Zustand und die Gefährdung von 47.282 der bekannten Baumarten in 192 Ländern weltweit. „Die Bewertung aller Baumarten war ein massives Unterfangen, das viele Jahre in Anspruch genommen hat“, sagte Jean-Christophe Vié von der Fondation Franklinia, die den Großteil des „Global Tree Assessment“ finanziert hat. „Es läuft noch, aber wir wissen jetzt, wo wir handeln müssen, um die Aussterbekrise, die die Bäume der Welt betrifft, effizient anzugehen.

Das traurige Ergebnis: Mindestens 16.425 der 47.282 bewerteten Baumarten sind vom Aussterben bedroht – das entspricht 38 Prozent. Damit ist im Schnitt jede dritte Baumart akut gefährdet, wie die Erhebung zeigt. Die Zahl der bedrohten Bäume ist inzwischen mehr als doppelt so hoch wie die Zahl aller bedrohten Vögel, Säugetiere, Reptilien und Amphibien zusammen. Bäume machen jetzt mehr als ein Viertel der Arten auf der IUCN-Roten Liste aller bedrohten Arten aus.

BAumarten regional
Absolute Zahl der vom Aussterben bedrohten und gefährdeten Baumarten nach Regionen. © IUCN/ Global Tree Assessment

Wo ist der Schwund am größten?

Besonders hoch ist der Anteil bedrohter Baumarten in Lateinamerika, Südostasien, Chile und auf vielen Inseln wie Mauritius oder Madagaskar – dort sind teilweise mehr als 50 Prozent aller Baumarten vom Aussterben bedroht. Aber auch in Großbritannien, Deutschland oder den USA liegt der Anteil gefährdeter Baumarten leicht über dem weltweiten Durchschnitt. In absoluten Zahlen ist allerdings der südamerikanische Regenwald ein Hotspot des Baumartensterbens: 3.356 Spezies sind allein dort vom Aussterben bedroht.

Die Ursachen für den Schwund der arborealen Artenvielfalt sind je nach Region unterschiedlich. Insgesamt stellt jedoch die Umwandlung von Wäldern in landwirtschaftliche Anbauflächen mit 29 Prozent die größte Bedrohung dar, die Rodung für Viehhaltung ist für 14 Prozent des Artenrückgangs bei den Bäumen verantwortlich. Mit 27 Prozent der zweitgrößte Faktor ist die Abholzung für die Holzgewinnung, 14 Prozent der Baumarten sind durch die Ausdehnung von Siedlungen und anderen Bauten bedroht. Waldbrände sind für 13 Prozent der Artenverluste verantwortlich.

Fatale Folgen auch für die Tierwelt

Der drohende Verlust so vieler Baumarten ist jedoch nicht nur für die Wälder und Baumartenvielfalt selbst fatal – auch die Natur insgesamt ist davon betroffen: „Bäume sind direkt entscheidend für das Überleben so vieler Arten – einschließlich vieler, die auf der IUCN-Roten Liste stehen“, betont Dave Hole von Conservation International. „Gesunde, natürlich vielfältige Wälder sind unerlässlich, um sowohl den Klimawandel als auch den Biodiversitätsverlust zu mildern.“ So sind allein zwei Drittel der weltweit bedrohten Vogelarten sind auf Wälder angewiesen. Tausende weitere Tierarten sind durch den Verlust von Bäumen bedroht.

Doch auch wir Menschen sind auf Bäume angewiesen: Über 5.000 der auf der IUCN-Roten Liste aufgeführten Baumarten werden für den Bau von Holz verwendet, weitere gut 2.000 Arten sind Lieferanten für Medikamente, Lebensmittel und Brennstoffe. „Bäume sind unerlässlich, um das Leben auf der Erde durch ihre wichtige Rolle in den Ökosystemen zu unterstützen, und Millionen von Menschen sind für ihr Leben und ihren Lebensunterhalt von ihnen abhängig“, sagt Grethel Aguilar, Generaldirektorin der IUCN.

Was kann getan werden?

„Wir hoffen, dass diese erschreckende Statistik, nach der eine von drei Baumarten vom Aussterben bedroht ist, dringende Maßnahmen anregt und zur Verbesserung der Naturschutzpläne verwendet wird“, sagt Eimear Lughadha von den Royal Botanic Gardens in Kew. So müsse die Entwaldung von Flächen für die Landwirtschaft eingeschränkt werden und auch das Abholzen von Wäldern für Brennholz und Papierherstellung gestoppt.

„Trotz des wachsenden Drucks, die weltweite Entwaldung bis 2030 zu stoppen, hat unser Flaggschiffprojekt SPOTT in diesem Jahr gezeigt, dass die meisten der weltweit 100 bedeutendsten Unternehmen für tropisches Holz und Zellstoff nur begrenzte Fortschritte bei der Offenlegung ihrer Verpflichtungen zu null Entwaldung und Rückverfolgbarkeit gemacht haben“, berichtet Sam Ross von ZSL. „Wir müssen alle mehr tun, um diese wichtigen Waldökosysteme zu schützen, insbesondere Hersteller von Konsumgütern, Finanzinstitute, die Forstwirtschaft finanzieren, und Agrarunternehmen.“

Auch Klimaschutzmaßnahmen und Aufforstungsprojekte müssen bedrohte Baumarten stärker berücksichtigen. Zwar werden im Rahmen solcher Maßnahmen vielerorts neue Bäume gepflanzt, aber gerade seltene Baumarten sind dabei meist nicht vertreten. „Die Art und Weise, wie Wiederaufforstung betrieben wird, muss stark verbessert werden, indem Artenvielfalt gefördert und bedrohte Arten in Aufforstungsprogramme einbezogen werden“, sagt Lughadha. (State of the World’s Trees, 2024)

Quelle: IUCN

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