Schlaue Vögel: Australische Kakadus haben gelernt, Mülltonnen zu öffnen – und sie schauen sich diese Technik voneinander ab. Im Laufe von mehreren Jahren hat sich dieses Verhalten dadurch über Sydney ausgebreitet. Interessanterweise entwickelten die Kakadus dabei mehrere Varianten der Öffnungstechniken, wie Biologen im Fachmagzain „Science“ berichten. Die cleveren Kakadus sind damit ein weiteres Beispiel für das soziale Lernen unter Vögeln.
Kakadus gehören ähnlich wie die Krähen zu den Schlauköpfen unter den Vögeln: Sie basteln sich Werkzeuge, um an Futter zu gelangen, und nutzen dabei an den Einsatzzweck angepasste Materialien und Techniken. Dabei denken sie jedoch durchaus ökonomisch, wie Experimente belegen. Zudem beherrschen diese Papageien das Hütchenspiel und haben sich als gewiefte Tresorknacker erwiesen. Ähnlich wie wir besitzen diese Vögel dabei die Fähigkeit, voneinander zu lernen.
Raffinierte Öffnungstechnik
Dass die Kakadus auch in Freiheit voneinander abgucken, belegen nun Beobachtungen an Gelbhaubenkakadus im australischen Sydney. Vor ein paar Jahren filmte der Biologe Richard Major vom Australian Museum einen dieser Kakadus dabei, wie er eine geschlossene Mülltonne öffnete: Der Kakadu benutzte seinen Schnabel und seinen Fuß, um den schweren Deckel anzuheben. Dann lief er an der Seite entlang Richtung Scharnier, um den Deckel umzukippen und so problemlos an die Essensreste im Inneren der Tonne zu gelangen.
„Wie viele australische Vögel sind Gelbhaubenkakadus laut und aggressiv. Aber sie sind auch unglaublich schlau, beharrlich und haben sich hervorragend an das Zusammenleben mit Menschen angepasst“, erklärt Major. Die Fähigkeit des Mülltonnenöffnens ist ein Beispiel dafür. Weil die Gelbaubenkakadus an der gesamten Ostküste Australien verbreitet sind und die Mülltonnen ein genormtes Design haben, stellte sich die Frage, ob auch andere Kakadus diese raffinierte Technik beherrschen – und ob sie sich diese womöglich von Artgenossen abgeguckt haben.
Sydneys Kakadus unter Beobachtung
Genau diese Frage hat ein Forschungsteam um Major und Erstautorin Barbara Klump vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz nun untersucht. „Es war so aufregend, eine so geniale und innovative Art des Zugangs zu einer Nahrungsquelle zu beobachten, dass wir sofort wussten, dass wir dieses einzigartige Verhalten systematisch untersuchen wollten“, sagt Klump.
Für ihre Studie baten die Forschenden die Einwohner Sydneys um ihre Mithilfe und fragten in einer Online-Umfrage, wer Kakadus beim Öffnen von Mülltonnen beobachtet hatte und wo. Im Laufe von zwei Jahren kamen so 1.396 Berichte zusammen, darunter 338 Sichtungen von tonnenöffnenden Kakadus. „Die Umfrage half uns herauszufinden, wie sich das Verhalten auf andere Kakadus in Sydney ausbreitet“, erklärt Koautor John Martin von der Taronga Conservation Society.
Voneinander abgeschaut
Das Ergebnis: Während vor 2018 nur Kakadus in drei Bezirken Sydneys beim Mülltonnen-Öffnen gesichtet worden waren, gab es Ende 2019 schon Berichte aus 44 Gebieten. Dieser Trick hatte sich demnach unter den schlauen Kakadus schnell und weit verbreitet. Die geografische Ausbreitung ergab zudem, dass Kakadus in benachbarten Bezirken diese Technik früher übernahmen als diejenigen in weiter entfernt liegenden.
Nach Ansicht von Klump und ihrem Team spricht dies dafür, dass die Kakadus dieses neue Verhalten nicht zufällig zeigen: „Diese Ergebnisse zeigen, dass die Tiere das Verhalten wirklich von anderen Kakadus in ihrer Umgebung gelernt haben“, sagt Klump. Damit gehören die Gelbhaubenkakadus zu den wenigen Tieren, von denen diese Fähigkeit zum sozialen Lernen belegt ist. Bisher ist dies unter anderem von Menschenaffen, aber auch einigen Vogelarten bekannt.
Öffnungstrick mit regionalen Varianten
Interessant jedoch: „Wir haben beobachtet, dass die Vögel die Mülltonnen nicht überall auf die gleiche Art und Weise öffnen, sondern in verschiedenen Vororten unterschiedliche Öffnungstechniken anwenden“, berichtet Klump. In einem Fall entwickelte ein Kakadu im Norden Sydneys eine neue Technik des Plünderns, woraufhin Vögel in benachbarten Stadtteilen dieses Verhalten übernahmen. Das deutet darauf hin, dass die Kakadus die Fähigkeit des „Tonnenknackens“ mehrfach neu erfunden und dann lokal weitergegeben haben – dadurch entstanden regionale Subkulturen.
Doch auch an einem Ort beherrschen nicht alle Kakadus einer Gruppe die komplexe Technik: Durch farbige Markierungen von rund 500 einzelnen Kakadus stellten die Forschenden fest, dass nur etwa zehn Prozent einer Gruppe sich aktiv an den Mülltonnen zu schaffen machten – meist die kräftigeren Männchen. Der Rest wartete, bis die „Pioniere“ die Mülltonnen öffneten, um sich dann zu bedienen. (Science, 2021; doi: 10.1126/science.abe7808)
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft