Brot vom Baum: Vor 230 Jahren brachte der durch die Meuterei auf der Bounty berühmt gewordene Kapitän William Bligh erstmals Brotfruchtbäume aus der Südsee in die Karibik. Jetzt klären DNA-Vergleiche, wie viele und welche Sorten der britische Seefahrer im Gepäck hatte. Demnach gelangten damals fünf Brotbaumlinien in die Karibik, die größtenteils aus Tahiti stammten – und dort auch heute noch vorkommen. Die klimaresistenten, ressourcenschonenden Bäume sind bis heute eine wichtige Nahrungsressource für die Tropenregionen.
Der Brotfruchtbaum (Artocarpus altilis) ist ein immergrüner Baum aus der Familie der Maulbeergewächse, der wegen seiner nahrhaften Früchte in vielen tropischen Regionen angebaut wird. Die bis zu sechs Kilogramm schweren, rundlichen Brotfrüchte besitzen ein weißes, faseriges Fruchtfleisch, das ähnlich wie bei uns die Kartoffel als sättigendes Gemüse oder Mus zubereitet und gegessen wird. Die in der Brotfrucht enthaltenen Samen lassen sich zudem trocknen, mahlen und dann wie Mehl verarbeiten.
Meuterei auf der Bounty vereitelte ersten Importversuch
Ursprünglich stammt die Brotfrucht aus Ozeanien, wurde aber schon vor 230 Jahren auch in die Karibik importiert. Importeur war niemand Geringerer als der britische Seefahrer William Bligh, der die Brotfruchtbäume aus der Südsee in die Karibik brachte. Er wollte die langlebigen, ertragreichen Bäume mit ihren kohlenhydratreichen Früchten einführen, um die britischen Sklaven kostengünstig zu ernähren, die auf den Zuckerplantagen von St. Vincent und den Grenadinen arbeiteten.
„Sein erster Versuch, die Brotfrucht in die Karibik zu bringen, endete jedoch im Jahr 1789 mit der Meuterei auf der HMS Bounty“, berichten Lauren Audi vom Chicago Botanic Garden und ihre Kollegen. Erst nach einer weiteren Seereise mit dem Schiff HMS Providence gelang es Bligh im Dezember 1792, die ersten zwölf Brotfruchtbäume nach St. Helena zu bringen. Im Jahr 1793 folgten weitere 331 Bäume aus Tahiti und Timor. Wie viele und welche Sorten genau Bligh damals in die Karibik brachte, war allerdings lange unklar.
Zwischen Genetik und Historie
Wie sich die Vorfahren der heutigen karibischen Brotfruchtbäume zusammensetzten und welches Sortenspektrum sie repräsentierten, haben Audi und ihr Team nun aufgeklärt. Dafür reisten sie zunächst über die karibische Insel St. Vincent, entnahmen Proben der Brotfruchtbäume vor Ort und untersuchten sie, wobei sie unter anderem Blattgröße und Fruchtform vermerkten. Diese Daten verglichen die Forschenden mit denen historischer getrockneter und gepresster Exemplare aus Museen und botanischen Gärten auf der ganzen Welt.
Zurück im Labor stand schließlich die vergleichende genetische Analyse der über 200 gesammelten Brotfruchtproben an, wobei der Fokus auf karibischen und tahitianischen Exemplaren lag. Wie Audi und ihr Team erklären, sind DNA-Analysen bei Brotfruchtbäumen herausfordernd, weil einige Sorten statt eines doppelten einen dreifachen Chromosomensatz besitzen.
Kapitän Bligh brachte fünf Sorten mit
Die Analyse ergab: Weltweit gibt es acht große genetische Linien kernloser Brotfruchtbäume. Fünf davon kommen in der Karibik vor – wahrscheinlich jene fünf, die Kapitän Bligh 1793 aus Tahiti mitbrachte. Zwar beschrieb Bligh bei seiner zweiten Seereise nicht näher, welche Varianten er an Bord hatte, dafür hatte er bei seinem gescheiterten Importversuch mit der Bounty die Sorten im Logbuch vermerkt. „Da die Mannschaft der Providence zu den gleichen Orten zurückkehrte, um neue Brotfruchtbäume zu holen, ist es naheliegend, dass die Kultivare übereinstimmten“, so die Wissenschaftler.
Über DNA-Vergleiche konnten Audi und ihr Team auch die Verwandtschaftsbeziehungen der Sorten untereinander und mit ihren Vorfahren in der Südsee rekonstruieren. Auf Tahiti identifizierten sie sogar noch einige Nachfahren der Linien, aus denen Bligh damals seine Importpflanzen mitnahm. „Mithilfe genetischer Daten konnten zwei karibische Sortennamen sicher ihren Gegenstücken in Ozeanien zugeordnet werden. Genetik und Morphologie zusammen ergaben weitere mögliche Übereinstimmungen“, schreiben die Forschenden.
Da in der aktuellen Studie nur samenlose Brotfruchtbäume vorkamen, repräsentieren die acht ermittelten Linien wahrscheinlich nur einen Teil der weltweiten Varianten. Vor allem in Ozeanien gibt es laut Audi und Kollegen noch einige samenhaltige Sorten, die kaum in die jetzige Analyse miteinflossen.
Neuer Schub für den „Klimabaum“?
Die Ergebnisse können nun dazu beitragen, die genetische Vielfalt der verschiedenen Brotbaumsorten zu erhalten und ihren Anbau in den Tropen zu fördern. Denn der gut für Agroforstsysteme geeignete Brotfruchtanbau ist relativ umwelt- und klimaverträglich, könnte der Nahrungsknappheit entgegenwirken und die Menschen der Tropenregionen unabhängiger von Importen machen.
„Ein einzelner Baum kann jahrzehntelang Früchte tragen und erfordert einen wesentlich geringeren Energie- und Ressourcenverbrauch als die großen einjährigen Grundnahrungsmittel, die jedes Jahr neu gepflanzt werden müssen“, erklärt Audis Kollegin Nyree Zerega. Außerdem binden die langlebigen Bäume Kohlenstoff und sind sehr klimaresistent. Dank der neuen genetischen Erkenntnisse könnte sich ihre Nutzung nun vorantreiben lassen. (Current Biology, 2023; doi: 10.1016/j.cub.2022.12.001)
Quelle: Cell Press, Northwestern University, Current Biology