Tierischer Star: Forscher haben das Genom der Katze „Lil Bub“ entschlüsselt. Der Blick ins Erbgut des für sein ungewöhnliches Aussehen berühmten Tieres aus den USA zeigt: Zwei seltene genetische Veränderungen sind für Lil Bubs äußere Erscheinung und ihr Knochenleiden verantwortlich. Diese Erkenntnisse könnten nun helfen, ähnliche seltene Erkrankungen auch beim Menschen besser zu verstehen.
Große Kulleraugen, verkürzte Schnauze und ein zahnloses Maul mit heraushängender Zunge: Ihr ungewöhnliches Aussehen hat der Katze „Lil Bub“ Millionen Follower im Internet beschert. Auf Instagram und Co erfreut sich das Tier, das an jeder Pfote zusätzliche Zehen besitzt und außerdem an der sogenannten Mamorknochen-Krankheit (infantile maligne Osteopetrose) leidet, seit einigen Jahren großer Beliebtheit. Ihr Besitzer Mike Bridavsky nutzt die Bekanntheit seiner Katze, um Geld für Tierheime und Tierschutzorganisationen zu sammeln.
Genom eines Internetstars im Blick
Doch wie lässt sich das auffällige äußere Erscheinungsbild des tierischen Social-Media-Stars erklären? Dieser Frage sind nun Darío Lupiáñez vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin und seine Kollegen nachgegangen. Alles fing damit an, dass die Genetiker im Internet zufällig auf ein Video von Lil Bub stießen: „Unsere Neugier war geweckt, wir wollten ihr Genom untersuchen“, berichtet Mitautor Daniel Ibrahim vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin.
Lil Bubs Besitzer war von der Idee sofort begeistert und stellte den Forschern eine Blutprobe zur Verfügung. Anschließend wendete sich das Team an die Öffentlichkeit und sammelte im Rahmen eines Crowdfunding-Projekts mehr als 7.000 Euro für die geplanten Untersuchungen.
Zwei seltene Veränderungen
Die genetischen Analysen offenbarten: Eine Kombination von zwei seltenen Veränderungen im Erbgut verursacht die einzigartige Erscheinung der berühmten Katze. Demnach kommen Lil Bubs zusätzliche Zehen durch eine bereits bekannte genetische Variante zustande, die die Regulation des sogenannten Sonic-Hedgehog-Gens kontrolliert.
Wie Lupiáñez und seine Kollegen berichten, besaßen auch die Katzen des Schriftstellers Ernest Hemingway diese Genvariante in ihrem Erbgut – etwa fünfzig Nachkommen dieser Katzen leben bis heute im Ernest Hemingway Museum in Florida. „Das ist sehr aufschlussreich“, sagt Mitautorin Orsolya Symmons von der University of Pennsylvania in Philadelphia. „Lil Bub ist eine Waise, sie wurde als verwildertes Kätzchen im ländlichen Indiana gefunden. Obwohl wir keinerlei Informationen über ihre Herkunft haben, gibt uns die in ihrem Genom enthaltene Information Hinweise zu ihrer entfernten Verwandtschaft.“
Fehler beim Knochenumbau
Die Veränderung, die Lil Bubs Knochenkrankheit verursacht, kommt durch einen fehlenden Buchstaben im genetischen Code zustande, wie die Forscher herausfanden. Der Katze fehlt eine Adenosin-Base im Gen RANK/TNFRSF11A – einem DNA-Abschnitt, der für die ordnungsgemäße Funktion der Osteoklasten erforderlich ist. Dies ist einer der zwei Zelltypen, die für den lebenslangen Umbau der Knochen erforderlich sind.
Durch die Mutation verschiebt sich der Leserahmen für die nachfolgenden Nukleinbasen. Mit schwerwiegenden Konsequenzen: Es entsteht ein Ungleichgewicht zwischen Knochenbildung und Knochenabbau, sodass letztlich zu viel und zu dichtes Knochengewebe gebildet wird. Bei Mäusen und Menschen sind andere Veränderungen in diesem Gen interessanterweise bereits mit Osteoporose in Verbindung gebracht worden, wie das Team berichtet.
Öffentlich zugänglich
Lupiáñez und seine Kollegen gehen davon aus, dass die für die Knochenkrankheit verantwortliche Mutation auch eine Rolle für Lil Bubs geringe Größe und ihre kurze Schnauze spielt. „Allerdings könnten weitere genetische Veränderungen zu bestimmten Aspekten ihres Phänotyps beitragen. Vielleicht haben wir diese bei unserer Analyse übersehen“, sagt Symmons. „Daher würden wir uns über jedes zusätzliche Paar Augen freuen, das sich Lil Bubs Genom ansieht.“ Um dies zu ermöglichen, haben die Forscher ihre Ergebnisse auf der Plattform BioRxiv veröffentlicht und damit allgemein zugänglich gemacht.
Die Einblicke in Lil Bubs Erbgut sind nicht nur für Katzenfreunde interessant, wie sie betonen: „Entwicklungsprozesse wie die Knochenbildung sind bei Säugetieren konserviert. Das heißt, sie verlaufen bei allen Arten sehr ähnlich. Die Mutationen zu identifizieren, die Lil Bubs Phänotyp zugrunde liegen, könnten daher helfen, diese seltenen Erkrankungen auch beim Menschen besser zu verstehen“, sagt Ibrahim. (BioRxiv, 2019; doi: 10.1101/556761)
Quelle: Max-Planck-Institut für molekulare Genetik