Medizin

Katzen: Urheber der Taumelkrankheit identifiziert

Durch Wildmäuse übertragenes Rustrela-Virus verursacht tödliche Katzenkrankheit

Katze
Freigängerkatzen sind potenziell anfällig für die gefährliche Taumelkrankheit. Welcher Erreger dahinter steckt, haben Forschende nun herausgefunden. © ViktorCap/ Getty images

Rätsel gelöst: Nach 50 Jahren der Suche haben Forschende endlich den Urheber für die tödliche „Taumelkrankheit“ von Katzen entdeckt – eine vor allem Freigängerkatzen treffende Hirnentzündung. Diese mit Lähmungen und Krämpfen verbundene Krankheit wird demnach vom sogenannten Rustrela-Virus verursacht – einem eng mit dem Erreger der Röteln verwandten RNA-Virus. Als Reservoir und Überträger des Virus wurden Gelbhalsmäuse und Waldmäuse identifiziert. Wenn Katzen infizierte Mäuse fressen, können auch sie sich anstecken.

Die Taumelkrankheit von Katzen, auch als Staggering Disease oder Feline Meningoencephalomyelitis bezeichnet, ist erst seit den 1970er Jahren bekannt und relativ selten. Die Entzündung des Gehirns und Rückenmarks trat bisher vor allem bei Freigängerkatzen in Schweden, Österreich und Teilen Deutschlands auf. Typische Symptome sind spastische Lähmungen der Hinterbeine, Zittern, Krämpfe und Verhaltensänderungen der Tiere. Häufig schreitet die Erkrankung innerhalb weniger Tage oder Wochen so weit fort, dass die Katzen eingeschläfert werden müssen.

Wer ist der Urheber?

Was diese Katzenkrankheit verursacht, war jedoch unbekannt. „Zwar deuteten mikroskopische Analysen auf einen viralen Ursprung hin, aber die Identität des Erregers blieb fast 50 Jahre unentdeckt“, erklären Kaspar Matiasek von der Ludwig-Maximilians-Universität München und seine Kollegen. Wegen der Ähnlichkeit der neurologischen Symptome zur Borna’schen Krankheit bei Pferden, Schafen und anderen Paarhufern stand zeitweilig das Borna disease virus 1 (BoDV) im Verdacht, was sich aber nicht bestätigte.

Um mehr Klarheit zu schaffen ,haben nun Matiasek und sein Team noch einmal Gewebe und Blut von 29 mit der Taumelkrankheit gestorbenen Katzen untersucht. Die Tiere stammten aus Südschweden, Österreich und Deutschland und waren wegen ihrer unklaren Krankheitsursache für spätere Analysen eingefroren oder in Formalin konserviert worden.

Rubellavirus
Das Rustrelavirus gehört zur gleichen Gattung wie der hier abgebildete Röteln-Erreger Rubivirus rubellae. © CDC/ Fred Murphy, Sylvia Whitfield

Rustrelavirus in erkrankten Katzen nachgewiesen

Tatsächlich wurden die Forschenden fündig: „Mittels Next-Generation-Sequencing gelang es uns, virale Signaturen in Gewebeproben der erkrankten Katzen zu finden und anschließend die viralen Genome vollständig zu entschlüsseln“, berichtet Koautor Herbert Weissenböck von der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Während sich das Bornavirus in keiner Probe nachweisen ließ, fanden die Wissenschaftler in 27 der 29 erkrankten Katzen die RNA des Rustrelavirus (Rubivirus strelense, RusV).

Dieses RNA-Virus ist ein Verwandter des menschlichen Röteln-Virus und eines von nur zwei bisher bekannten Rubiviren. Entdeckt wurde es erstmals im Jahr 2020 entdeckt, nachdem in einem Zoo bei Stralsund mehrere Tiere an einer Gehirnentzündung unklarer Ursache gestorben waren. Seither haben Wissenschaftler das Rustrelavirus auch bei wildlebenden Gelbhalsmäusen in dieser Region nachgewiesen.

Der Nachweis des Rustrelavirus im Gehirn und Nervengewebe der Katzen belegt nun, dass dieser virale Erreger auch für die Taumelkrankheit der Katzen verantwortlich ist. „Wir konnten mit speziellen Nachweismethoden zeigen, dass sich die Viren in Nervenzellen der betroffenen Tiere vermehrten und dadurch die krankheitsursächliche Entzündungsreaktion auslösten“, sagt Weissenböck. Zu den besonders häufig befallenen Hirnarealen gehört auch das Kleinhirn, was die Bewegungsstörungen der infizierten Katzen erklärt.

Waldmäuse und Gelbhalsmäuse als Erreger-Reservoire

Doch wie haben sich die Katzen angesteckt? Um das zu klären, untersuchte das Forschungsteam zusätzlich auch Gewebe von 116 Nagetieren, die zwischen 1995 und 2019 in der Nähe der Taumelkrankheits-Ausbrüche in Südschweden gefangen wurden. Das Ergebnis: Anders als in Deutschland waren die Gelbhalsmäuse dort nicht mit dem Rustrelavirus infiziert, wohl aber einige Waldmäuse (Apodemus sylvaticus).

Nach Ansicht der Wissenschaftler sprechen diese Ergebnisse dafür, dass die beiden Mäusearten die ursprünglichen Reservoirwirte des Rustrelavirus sind. Wenn dann Freigängerkatzen diese Mäuse fangen und fressen, können auch sie sich mit dem Virus infizieren. Matiasek und seine Kollegen halten es aber für unwahrscheinlich, dass sich Katzen gegenseitig mit dem Rustrelavirus anstecken können. „Das nur sporadische Vorkommen der Krankheit, das Fehlen von gehäuften Ausbrüchen innerhalb von Mehrkatzen-Haushalten und die Beschränkung auf Freigängerkatzen stützen dies“, so die Forschenden.

Wie genau das Rustrelavirus übertragen wird, ob und wie viel von diesem Erreger eine infizierte Katze ausscheidet und ob noch andere Tiere ein Reservoir bilden, muss aber noch untersucht werden. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-36204-w)

Quelle: Veterinärmedizinische Universität Wien

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