Ein bizarres Experiment wirft neues Licht auf die Anpassungsfähigkeit unseres Nervensystems: US-Forscher haben Kaulquappen die Augen entfernt und ihnen jeweils eines der Sehorgane an den Schwanz transplantiert. Das Erstaunlich daran: Obwohl dieses Auge nicht direkt mit dem Gehirn verbunden war und an völlig ungewohnter Stelle saß, konnten die Tiere mit ihm sehen, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Journal of Experimental Biology“ berichten. Das wecke auch Hoffnung für Menschen mit beschädigten Sinnesorganen.
„Ein Ziel der Medizin ist es, die Funktion beschädigter oder fehlender Sinnesorgane durch den Einsatz von biologischen oder künstlichen Ersatz-Komponenten wiederherzustellen“, sagt Co-Autor Michael Levin von der Tufts University. Dazu müsse man allerdings erst einmal verstehen, wie sich Gehirn und Körper an solche Veränderungen anpassen können. Um dies herauszufinden, stellten die Forscher das Nervensystem von Kaulquappen vor eine besondere Herausforderung: Sie verpflanzten ein ganzes Sinnesorgan vom Kopf einfach an den Körper.
Auge ans Schwanzende verpflanzt
Für ihre Studie entfernten Levin und sein Kollege Douglas Blackiston zunächst Froschembryonen das Gewebe am Kopf, aus dem sich normalerweise die Augen entwickeln. Die entnommene Vorstufe eines Auges markierten sie dann mit fluoreszierenden Stoffen und pflanzten sie dem Embryo am vorderen Teil des Schwanzes wieder ein. Auf diese Weise entwickelten sich Kaulquappen ohne Augen am Kopf, die aber jeweils ein Auge seitlich am Schwanz besaßen.
Mikroskopische Untersuchungen zeigten, dass sich bei keinem der Versuchstiere die Nerven des Schwanz-Auges direkt mit dem Gehirn verbunden hatten. Bei einigen Tieren waren die Sehnerven allerdings ins Innere gewachsen und hatten sich mit dem Rückenmark verknüpft. Dann testeten die Forscher, ob die Augen trotz ihrer absurden Position den Kaulquappen Seheindrücke vermitteln konnten: Sie setzten die Tiere in Wasserbecken, die teilweise mit rotem oder blauem Licht beleuchtet waren. Wo rotes Licht leuchtete, traktierten die Forscher die Kaulquappen mit leichten Elektroschocks. In den blau beleuchteten Bereichen blieben sie dagegen von den unangenehmen Reizen verschont.