Abgelöst statt verdrängt: Die Adriaregion galt bisher als eine mögliche Kontaktzone von Neandertaler und Homo sapiens. Doch wie sich jetzt zeigt, wanderten unsere Vorfahren dort erst ein, als ihr eiszeitlicher Vetter schon Jahrtausende verschwunden war. Das schließen Forscher aus in Slowenien gefundenen Stein- und Knochenwerkzeugen. Wo sich unsere Vorfahren mit dem Neandertaler vermischten, bleibt daher nach wie vor rätselhaft.
Die Zeit vor 30 bis 40.000 Jahren ist eine der turbulentesten Phasen der frühen Menschheitsgeschichte in Europa: Nach jahrtausenderlanger Dominanz des Neandertalers lösen nun die aus Afrika eingewanderten anatomischen modernen Menschen den Eiszeitmenschen ab. Dabei muss es zumindest in einigen Regionen Kreuzungen zwischen Neandertaler und Homo sapiens gegeben haben – das belegen die rund zwei Prozent Neandertaler-DNA in unserem Erbgut.
Vom Homo sapiens abgeguckt
Eine der potenziellen Kontaktzonen könnte entlang der Adriaküste liegen, denn nach gängiger Theorie könnte der anatomisch moderne Mensch über den Balkan nach Europa eingewandert sein. Tatsächlich finden sich unter anderem in Slowenien zahlreiche Belege, dafür, dass frühe Menschen dort lebten und jagten: Waffenspitzen aus Knochen, Geweih oder Elfenbein treten hier in Massen auf.
Ob diese Werkzeuge komplett vom Homo sapiens stammen oder ob nicht vielleicht auch die Neandertaler sich diese Form der Werkzeuge abgeschaut hatten, blieb bisher aber unklar. „Dass bereits Neandertaler Waffenspitzen aus Knochen, Geweih oder Elfenbein hergestellt haben, möglicherweise in Folge einer Interaktion mit modernen Menschen, ließ sich nach Lage der archäologischen Befunde bislang nicht ausschließen“, erklärt Luc Moreau vom Archäologisches Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution MONREPOS.