Alternative Wahrheit: Fake News können unsere Meinung gezielt manipulieren. Die Folge: Wir halten für wahr, was eigentlich falsch ist. Forscher haben nun überlegt, wie man die Macht solcher Falschinformationen schwächen könnte. Ihre Idee: Eine psychologische „Impfung“ könnte den negativen Effekt falscher Meldungen mindern. Ein Experiment zeigt, dass das zumindest teilweise funktioniert. Wer vor Manipulationen gewarnt wird, ist demnach weniger anfällig dafür.
Der Klimawandel ist ein Märchen und Impfen schadet mehr als dass es nützt? Viele Themen werden in unserer Gesellschaft kontrovers diskutiert, obwohl die Fakten eigentlich nur eine Interpretation zulassen. Regelmäßig enden Konfrontationen zwischen Befürwortern und Skeptikern deshalb in hitzigen Debatten – und jeder glaubt, im Recht zu sein.
Das Problem: Während sich die Einen tatsächlich auf eindeutige Beweise aus der Wissenschaft stützen können, sind auch die Anderen davon überzeugt, ihre Argumentation auf wahren Fakten aufzubauen. Denn in ihrem Weltbild gelten schlichtweg andere Wahrheiten: Wahrheiten, die Propagandakampagnen oder Fake News entsprungen sind und die sich auch durch Aufklärungsversuche nur schwer als Lügen enttarnen lassen.
Psychologische „Impfung“
Wissenschaftler um Sander van der Linden von der University of Cambridge haben sich nun gefragt, wie die Macht solcher Fehlinformationen geschwächt werden könnte. Kurzum: Wie macht man Menschen weniger anfällig für falsche Fakten? Ihre Idee: Man könnte sie im wahrsten Sinne des Wortes dagegen impfen – nach dem Vorbild der Medizin.
Beim Impfen wird der Organismus mit der abgeschwächten Variante eines gefährlichen Erregers konfrontiert, um Schutzmechanismen dagegen entwickeln zu können. Die gleiche Logik wollten die Sozialpsychologen für Fake News anwenden. In ihrem Fall war der Impfstoff eine Warnung vor Manipulationsversuchen durch falsche Fakten. „Falschinformationen können sich verbreiten wie ein Virus. Mit unserem Ansatz versuchen wir ein kognitives Repertoire zur Verfügung zu stellen, das sozusagen resistent dagegen macht“, sagt van der Linden.
Konsens über Klimawandel?
Um zu überprüfen, ob die Strategie funktioniert, stellten die Forscher 2.167 Probanden ohne ihr Wissen auf die Probe. Auf der Amazon-Plattform Mechanical Turk, die Nutzern gegen eine geringen Lohn Aufgaben zum Abarbeiten im Internet anbietet, präsentierten van der Linden und seine Kollegen die Teilnehmer mit zwei konträren Fakten zum Klimawandel.
Entweder hieß es wahrheitsgemäß, dass unter Wissenschaftlern weitgehend Konsens über die Existenz eines menschengemachten Klimawandels herrscht – oder aber, dass tausende Wissenschaftler vom Gegenteil überzeugt sind und es demnach keinen Konsens gibt. Davor und danach sollten die Teilnehmer selbst angeben, wie es ihrer Meinung nach um die wissenschaftliche Einigkeit bezüglich des Klimawandels bestellt ist.
Positiver Effekt gelöscht
Das Ergebnis: Wie zu erwarten, konnten die präsentierten Fakten die Einstellung der Probanden beeinflussen. Wurden sie mit dem realen Fakt konfrontiert, schätzten sie anschließend die Einigkeit unter Wissenschaftlern im Schnitt um rund 20 Prozent höher ein. Durch die falsche Information sank dagegen der Glaube an einen wissenschaftlichen Konsens – wenn auch nur um neun Prozent.
Interessant wurde es, als die Wissenschaftler einigen Teilnehmern beide Klimawandelfakten nacheinander präsentierten. Das Überraschende: Folgte die falsche Aussage auf die richtige, löschte sie den positiven Effekt durch den korrekten Fakt wieder aus. Die Meinung zum Konsens war bei den Probanden danach wie zu Beginn des Experiments – die Aufklärung mit den richtigen Fakten hatte überhaupt nichts genützt.
Neutralisierung aufgehoben
„Die Einstellung vieler Menschen zum Klimawandel ist nicht sehr gefestigt. Sie wissen zwar, dass es eine Debatte gibt, sind sich aber nicht sicher, was sie glauben sollen. Widersprüchliche Aussagen irritieren sie – und sie sind mit ihrer Meinungsbildung genauso weit wie vorher“, sagt van der Linden.
Doch es gibt eine gute Nachricht: Offenbar lässt sich der beobachtete Neutralisierungseffekt durch eine kleine „Impfung“ aufheben. Fügten die Forscher zwischen der richtigen und der falschen Aussage eine generelle Warnung vor Fake News ein, blieb der positive Effekt zumindest zum Teil erhalten: Die Probanden stimmten dem Konsens danach rund 6,5 Prozent mehr zu als vorher.
Noch deutlicher war der Effekt jedoch, wenn die Fehlinformation anhand eines konkreten Beispiels als solche entlarvt wurde. So machte das Team den Probanden Schritt für Schritt deutlich, wie eine angeblich von Wissenschaftlern unterschriebene Petition gefälscht worden war. Mit Erfolg: Der Glaube an den Konsens stieg um fast dreizehn Prozent.
Effektive Prävention
Wie die Wissenschaftler berichten, funktionierte diese Strategie bei Vertretern aller politischen Gesinnungen gleichermaßen gut – ob Demokraten, Republikaner oder Menschen ohne bevorzugte Partei. Dies zeige: Die Bevölkerung präventiv vor der politisch motivierten Verbreitung von Falschinformationen zu warnen, könne dabei helfen, die öffentliche Meinung weniger anfällig dafür zu machen – und die Zustimmung zum wissenschaftlichen Konsens zu bewahren und zu fördern.
„Es wird zwar immer Menschen geben, die völlig resistent gegen Veränderungen sind. Doch wir glauben, dass in den Köpfen der meisten doch Platz für neue Sichtweisen ist“, schließt van der Linden. (Global Challenges, 2017; doi: 10.1002/gch2.201600008)
(University of Cambridge, 24.01.2017 – DAL)