Gegen den Plastikmüll: Eine Kieselalge könnte künftig dabei helfen, Mikroplastik und PET-Kunststoffe im Ozean abzubauen. Denn im Experiment ist es Forschern gelungen, dieser Algenart das Gen für ein plastikabbauendes Enzym einzuschleusen. Dadurch konnten diese Kieselalgen im Salzwasser schwimmende PET-Reste abbauen und das Enzym auch ins Wasser abgeben. Dies eröffnet die Chance zu einem biobasierten Reinigen der Meere.
Mehr als 100 Millionen Tonnen Plastikmüll schwimmen inzwischen in unseren Ozeanen – und täglich werden es mehr. Auch Flüsse, Seen, Böden, unsere Lebensmittel und sogar wir selbst sind mit Mikroplastik kontaminiert. Weltweit suchen Forscher daher nach Mitteln gegen die Plastikflut. Doch das ist nicht einfach, denn Kunststoffe sind sehr beständig und werden kaum biologisch abgebaut.
Vom Bakterium in die Kieselalge
Im Jahr 2016 jedoch entdeckten Forscher erstmals ein Bakterium, das Polyethylenterephthalat (PET) zersetzen kann – den Kunststoff, aus dem die meisten Plastikflaschen bestehen. Die Mikrobe Ideonella sakaiensis nutzt dafür das Enzym PETase, das die Kettenmoleküle des PETs in seine Bestandteile zerlegt. Das Problem jedoch: Ausgerechnet dort, wo der meiste Plastikmüll herumschwimmt – im Ozean – kann Ideonella nicht gut überleben.
Eine Lösung für dieses Dilemma könnten nun Daniel Moog von der Universität Marburg und seine Kollegen gefunden haben. Denn sie haben nun eine marine Kieselalge mit diesem Enzym ausgestattet. Dies gelang, indem sie die genetische Bauanleitung für die PETase in das Erbgut der Alge Phaeodactylum tricornutum einschleusten. Schon erste Tests belegten, dass die genmanipulierte Kieselalge dadurch dieses Enzym produzieren und in ihre Umwelt freisetzen kann.
„Kerben, Dellen und Löcher“
Doch kann diese Alge damit auch PET abbauen? Dies überprüften Moog und sein Team mit verschiedenen Testansätzen, in denen sie die Alge bei 21, 26 und 30 Grad in Salzwasser hielten, dem PET-Folienstückchen oder andere PET-Teilchen zugesetzt waren. Und tatsächlich: „Die Teile des PET-Films, die in Kontakt mit den Algenzellen kamen, zeigten unter dem Elektronenmikroskop klar erkennbare Dellen, Kerben und Löcher“, berichten die Forscher.
Besonders effektiv war dieser PET-Abbau, wenn die Plastikstückchen kleiner als ein Zentimeter waren und die Wassertemperatur bei rund 30 Grad lag – dem Temperaturoptimum für das Enzym. Für die Kieselalgen allerdings sind diese Wassertemperaturen auf Dauer zu hoch. Doch auch bei 21 und 26 Grad konnten die Forscher noch einen PET-Abbau beobachten, wenngleich in geringerem Maße.
Für Einsatz in großem Maßstab geeignet
„Unsere Ergebnisse im Labor zeigen, dass sich mit diesem Ansatz prinzipiell PET aus Meerwasser entfernen lässt“, sagt Moog. „Die PETase-produzierenden Kieselalgen könnten damit zu einem klimafreundlichen Recycling von PET beitragen.“ Ihm schweben abgegrenzte, Klärwerk-ähnliche Anlagen vor, in denen die modifizierte Alge das Mikroplastik im Meerwasser abbaut. Dafür allerdings muss das System aus Alge und Bakterienenzym erst noch weiter optimiert werden.
Immerhin: Für einen Einsatz in großem Maßstab bringt die Kieselalge Phaeodactylum tricornutum gleich mehrere gute Voraussetzungen mit: Sie lässt sich leicht, kostengünstig und in großen Mengen züchten und sie ist schon seit Jahren ein guterprobter und wohluntersuchter Versuchsorganismus der Biologen, wie die Forscher betonen. Auch die Genmanipulation dieser Alge sei in den Laboren längst Routine. (Microbial Cell Factories, 2019; doi: 10.1186/s12934-019-1220-z)
Quelle: Philipps-Universität Marburg