Kindliches Defizit: Wenn es darum geht, aus einer Vielzahl von Geräuschen eine Stimme herauszufiltern, bekommen Kinder Probleme. Eine Studie zeigt: Noch im Alter zwischen sechs und neun Jahren ist diese Fähigkeit zum selektiven Hören nicht voll entwickelt. Demnach schafft es das Kindergehirn nicht, sich ausschließlich auf die wichtigen Reize zu konzentrieren – vor allem dann, wenn der Geräuschpegel im Hintergrund hoch ist.
Ob Straßenlärm, Gesprächsfetzen oder Musik – in vielen Alltagssituationen erschweren uns Hintergrundgeräusche das Zuhören. Sich in solchen „Cocktailparty-Momenten“ nur auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren und beispielsweise der Stimme unseres Gegenübers zu folgen, stellt hohe Anforderungen an unser Aufmerksamkeitssystem. Der auditive Cortex in unserem Gehirn muss die einströmenden Informationen dafür selektiv verarbeiten: Er filtert bedeutsame Reize gezielt heraus, während er unbedeutende unterdrückt.
Selektiv zuhören
Diese Fähigkeit zum selektiven Hören ist uns nicht in die Wiege gelegt. So haben kleine Kinder häufig noch Probleme damit, in einer Umgebung mit vielen Hintergrundgeräuschen einem Gespräch zu folgen. Ab welchem Alter aber ändert sich das? Um diese Frage zu klären, haben Marc Vander Ghinst von der Freien Universität Brüssel und seine Kollegen nun den Test gemacht: Sie konfrontierten Kinder im Alter zwischen sechs und neun Jahren sowie junge Erwachsene mit Cocktailparty-Situationen.
Für die Studie rekrutierten die Forscher jeweils 20 Probanden für jede Altersklasse und spielten ihnen unterschiedliche Aufnahmen vor. Dabei galt es, einem Geschichtenerzähler zu lauschen, dessen Erzählung durch andere Gesprächsfetzen und Geräusche im Hintergrund gestört wurde. Wie würde das Gehirn darauf reagieren? Mithilfe der Magnetenzephalographie (MEG) beobachteten Vander Ghinst und sein Team die Hirnaktivität der Studienteilnehmer und konnten auf diese Weise feststellen, auf welche Elemente der Audioszene der auditive Cortex reagierte.
Noch nicht voll entwickelt
Dabei offenbarten sich deutliche Unterschiede: Bei Erwachsenen schien das Gehirn die Stimme des Geschichtenerzählers gezielt herauszufiltern. Die Signale aus dem MEG stimmten mit diesen auditiven Reizen überein. Ein ähnliches Muster zeigte sich zwar auch im Gehirn der Kinder – ihr auditiver Kortex schien sich ebenfalls auf die Stimme des Sprechers zu konzentrieren. Allerdings gelang dies mit zunehmendem Geräuschpegel immer weniger.
Je stärker die Hintergrundgeräusche wurden, desto schlechter schaffte es das Kindergehirn, die eine Stimme herauszufiltern und andere Reize zu unterdrücken. Damit ist nach Ansicht der Forscher klar: Die Fähigkeit zum selektiven Hören ist in der späten Kindheit noch nicht voll entwickelt. Möglicherweise könnte diese Fähigkeit sogar erst im Teenager-Alter ausgereift sein, so ihre Vermutung. In welcher Phase unseres Lebens wir Cocktail-Situationen am besten meistern, sollen nun weitere Studien zeigen. (Journal of Neuroscience, 2019; doi: 10.1523/JNEUROSCI.1732-18.2019)
Quelle: Society for Neuroscience