Zoologie

Die kleinste Landschnecke der Welt

Gehäuse der Schneckenart aus Vietnam ist kleiner als ein Sandkorn

Angustopila psammion
Das Gehäuse von Angustopila psammion ist nur einen halben Millimeter groß – sie ist damit die kleinste Landschnecke der Welt. © Senckenberg

Behauster Winzling: In Vietnam haben Forscher die kleineste bisher bekannte Landschnecke entdeckt. Ihr Gehäuse ist nur einen halben Millimeter groß und damit kleiner als ein Sandkorn. Die Angustopila psammion getaufte Schneckenart könnte sich damit an der Untergrenze des für Schnecken biologisch Möglichen bewegen. Warum diese Spezies so extrem miniaturisiert ist, ist noch unklar, es könnte aber die Nutzung spezieller Nischen oder die Flucht vor Fressfeinden erleichtern.

Im Tierreich gibt es einige Gruppen, die extrem miniaturisierte Vertreter hervorgebracht haben. So misst das kleinste Reptil, ein Chamäleon, nur 13 Millimeter, die kleinsten Frösche sind sogar nur acht bis neun Millimeter groß. Diese in Madagaskar heimischen Amphibien sind damit gleichzeitig die kleinsten Landwirbeltiere der Welt. Und sogar bei den Dinosauriern, die sonst eher durch ihre riesenhafte Größe auffielen, gab es Mini-Exemplare: Ein in Bernstein konservierter Dino war nur 14 Millimeter lang.

Landschnecke im Miniaturformat

Einen neuen Rekord im Miniaturformat gibt es nun auch bei den Schnecken: Das Gehäuse der in Vietnam vorkommenden Spezies Angustopila psammion ist nur rund 0,48 Millimeter hoch und 0,6 Millimeter lang. Mit einem Gehäusevolumen von nur 0,045 Kubikmillimetern ist sie damit die kleinste aller bekannten Landschnecken. Noch kleiner sind nur einige Meeresschnecken wie die Spezies Ammonicera minortalis.

„Es ist etwas ganz Besonderes, so einen Rekordhalter der Tierwelt zu entdecken“, sagt Koautorin Adrienne Jochum vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. „Wir gehen davon aus, dass die Größe der von uns gefundenen Schnecke schon an der Untergrenze erwachsener Landschnecken liegt. Sehr viel kleiner können die Tiere nicht werden, da es eine bestimmte Anzahl von Neuronen geben muss, die eine Schnecke funktionsfähig machen. Zudem muss die Schneckenschale auch ausreichend Platz für mindestens ein Ei bieten.“

Warum ist die Schnecke so klein?

Entdeckt haben Jochum und ihre Kollegen den Winzling in einer Höhle in Nordvietnam. Als sie Sedimentproben aus der Cap-La-Höhle wuschen und sichteten, fanden sie zahlreiche winzige Schneckengehäuse. Die Analyse ihrer Form und Merkmale ergaben, dass es sich um eine neue Art handelte. Ob diese winzige Landschnecke in der dunklen Trockenhöhle lebt oder ob die Gehäuse durch Lücken in der Höhlendecke nur dort hineingefallen sind, ist noch unklar.

„Unsere Entdeckung hat sofort die Frage nach den evolutionären Mechanismen aufgeworfen, die dazu führen, dass einige Schnecken solch eine geringe Größe besitzen“, erläutert Jochum. „Am plausibelsten erscheint, dass die winzigen Schnecken zuvor unbesetzte Nischen nutzen können – aufgrund ihrer Größe können sie sowohl in engen Räumen nach Nahrung suchen als auch Nahrungspartikel fressen, die für größere Tiere nicht interessant sind.“ Zudem bietet die kleine Gestalt den Schnecken den Vorteil dabei, sich vor ihren Fressfeinden zu verstecken; oft sind sie sogar so klein, dass sie als Nahrung nicht interessant sind.

Angustopila coprologos
Die neuentdeckte Schnecke Angustopila coprologos schmückt ihr porzellanartiges Gehäuse mit Kotkörnern. © Senckenberg

Mini-Schnecke mit Kotperlen auf dem Haus

Das Team um Jochum und Erstautor Barna Pall-Gergely vom Zentrum für Agrarforschung in Budapest hat aber noch eine weitere Mini-Schnecke aus der Gattung Angustopila entdeckt: In Laos fanden sie die kaum größere Art Angustopila coprologos. Diese hat die Eigenart, dass sie ihr Gehäuse mit einem strahlenförmigen Muster aus winzigen, braunen Kotkörnern schmückt.

Welchem Zweck diese eher unappetitliche Garnierung dient, kann das Forschungsteam nur vermuten. Von anderen, größeren Landschnecken ist bekannt, dass diese ihre Schalen oft mit Rinde, Flechten, Lehm oder Erdpartikeln überziehen, um sich zu tarnen und so der Aufmerksamkeit von Fressfeinden wie Vögeln oder Käfern zu entgehen. „Solch eine optische Tarnung ergibt bei den extrem kleinen Schnecken, die in Kalksteinspalten leben, aber keinen Sinn“, sagt Jochum.

Sie vermutet vielmehr, dass die Kotperlen dazu dienen könnten, Geschlechtspartner anzulocken oder die Schnecken im trockenen Untergrund gegen das Austrocken zu schützen. Die Kotkörnchen könnten dann als „Mini-Schwämme“ fungieren, die Feuchtigkeit speichern. „Es ist in jedem Fall überraschend, dass diese winzigen Schnecken solche komplexen Mechanismen entwickeln, über die wir – bislang – noch wenig wissen“, schließt Jochum. (Contributions to Zoology, 2022; doi: 10.1163/18759866-bja10025)

Quelle: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

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