Für Klimaschutz und Nachhaltigkeit: Der Deutsche Umweltpreis geht in diesem Jahr an zwei Frauen, die auf ihren jeweiligen Gebieten Pionierarbeit geleistet haben. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) ehrt die Klimawissenschaftlerin Friederike Otto und die Holzbau-Unternehmerin Dagmar Fritz-Kramer mit der renommierten Auszeichnung, die zu den höchstdotierten Umweltpreisen Europas zählt. Die beiden Frauen teilen sich das Preisgeld in Höhe von insgesamt 500.000 Euro.
Die beiden Preisträgerinnen beweisen, „dass wir keine Zeit im Kampf gegen die Klimakrise verlieren dürfen“, sagte DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. Das Wirken von Friederike Otto und Dagmar Fritz-Kramer sei eine „echte Inspiration und Motivation, aus den bereits unübersehbaren Folgen der Erderwärmung zu lernen“ und noch mehr Umweltschutz umzusetzen, so Bonde.
Friederike Otto: Zusammenhang zwischen Klimawandel und Extremwetter
Die 41-jährige Friederike Otto vom Imperial College London habe sich als „exzellente Klimawissenschaftlerin mit wegweisenden Forschungsarbeiten um die sogenannte Zuordnungswissenschaft verdient gemacht“. Diese auch Attributionsforschung genannte Disziplin untersucht, welche Rolle der Klimawandel beim Wetter spielt – zum Beispiel ob es Zusammenhänge zwischen Klimaveränderungen und Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Dürren, Überflutungen und Starkregen gibt. Otto entwickelte das Verfahren der Attribution von extremen Wetterereignissen zum menschengemachten Klimawandel maßgeblich mit.
2015 gründete die gebürtige Kielerin zusammen mit ihrem mittlerweile verstorbenen niederländischen Kollegen Geert Jan van Oldenborgh die Initiative World-Weather-Attribution (WWA), die stets mit lokalen oder nationalen Forschenden und Rotkreuz-Mitarbeitenden zusammenarbeitet. Die Organisation wertet bei Extremwetterereignissen vorhandene Klimamodelle von internationalen Rechenzentren aus und kombiniert die Daten mit momentanen Beobachtungsdaten vor Ort. Schon kurz darauf wird die Öffentlichkeit informiert.
Attributionsforschung fast in Echtzeit
Die Arbeit der Klimaforscherin zeichnen Bonde zufolge drei Faktoren aus: die schnelle Veröffentlichung wissenschaftlicher Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen globalem Klimawandel und regionalem Extremwetter, die Darstellung lokaler Folgen der globalen Klimakrise sowie Vorschläge für wirksame Anpassungsmaßnahmen. „Die Präsentation fundierter Forschung in Echtzeit ist nicht nur bahnbrechend für einen ausgewogenen Diskurs über Klimawandel, Auswirkungen und Gegenmaßnahmen, sondern entzieht auch Falschnachrichten den Boden. All das macht die Erderwärmung real und begreifbar“, so der DBU-Generalsekretär.
Für Aufmerksamkeit sorgten hierzulande unter anderem die WWA-Analysen, in denen die Initiative die Beteiligung des Klimawandels an jüngsten Hitzewellen in den Jahren 2022 und 2023 zeitnah nachwies. So wäre der rekordheiße Sommer 2022 in Europa und auf der gesamten Nordhalbkugel den Analysen von Otto und ihrem Team zufolge ohne den Klimawandel praktisch unmöglich gewesen. Ohne Klimawandel wäre auch die begleitende Dürre wahrscheinlich nicht eingetreten.
Wichtige Hinweise für die Klimaanpassung
Die Attributionsforschung versetze die Menschen laut Bonde „überhaupt erst in die Lage, vorausschauend zu handeln, um sich gegen die Klimakrise zu wappnen“. „In vielen Gemeinden und Städten gibt es inzwischen Hitzeaktionspläne“, sagt Otto.„In Anbetracht von zunehmender Vulnerabilität durch alternde Gesellschaften und wachsende Ungleichheit gibt es einen enormen Bedarf, diese Hitzeaktionspläne weiter auszurollen.“
Friederike Otto ist eine Leitautorin des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats (IPCC) und gehört zum zentralen Autorenteam des im März erschienenen IPCC-Syntheseberichts. Seit 2021 hat die Physikerin und promovierte Philosophin eine Professur am Imperial College London. Als WWA-Mitgründerin wurde sie auf der renommierten Time100-Liste als eine der einflussreichsten Menschen der Welt geführt. Außerdem kürte das Fachmagazin „Nature“ sie 2021 zu einer der Top Ten der weltweit wichtigsten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Dagmar Fritz-Kramer: „Ideengeberin für neue Wege im Bausektor“
Die zweite Preisträgerin des Deutschen Umweltpreises 2023 ist die 52-jährige Diplom-Ingenieurin Dagmar Fritz-Kramer. Als Geschäftsführerin des Allgäuer Familienbetriebs Bau-Fritz GmbH & Co.KG, kurz Baufritz, gehe sie neue Wege im Bausektor und sei Vorreiterin für die Bauwende, so DBU-Generalsekretär Bonde. Bei Neubau, Sanierungen und Aufstockungen setzt ihr Unternehmen fast ausschließlich auf den klimafreundlichen Baustoff Holz, der große Mengen an Kohlenstoff speichert.
Der Gebäudesektor verursacht in Deutschland etwa 40 Prozent der 746 Millionen Tonnen Emissionen an klimaschädlichen Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2), wie aus einer Statistik des Umweltbundesamts hervorgeht. Er ist daher laut Bonde „einer der Schlüsselfaktoren, wenn Deutschland wie geplant bis 2045 klimaneutral werden will“. Deshalb müsse der Gebäude-Altbestand dringend saniert werden – in diese Kategorie fallen fast zwei Drittel aller Immobilien in Deutschland.
Heimisches Holz als nachhaltiger Baustoff
Bauunternehmerin Fritz-Kramer sieht die eigene Branche auch deshalb in der Pflicht, „weil sie fast zwei Drittel des Müllbergs in Deutschland verursacht“. Sanierung, Recycling und Ressourcenschonung nennt sie „essenziell“, auch weil Sand zu einem raren Gut geworden sei. Ihr Unternehmen Baufritz verarbeitet vor allem heimisches Fichtenholz und erreicht nach eigenen Angaben durch seine Bauprojekte jedes Jahr eine CO2-Ersparnis von etwa 12.000 Tonnen.
„Wir brauchen Menschen wie Frau Fritz-Kramer, die mit Weitsicht, Wagemut und wirtschaftlicher Kompetenz Nachhaltigkeit, Umwelt- und Ressourcenschutz in die Praxis umsetzen. Nur so schaffen wir die Klimaziele“, so DBU-Generalsekretär Bonde.
Die DBU verleiht den Deutschen Umweltpreis jährlich an Personen aus der Wissenschaft, die sich um Nachhaltigkeit und Umwelt verdient gemacht haben, sowie an Unternehmer, die sich der praktischen Umsetzung von Umweltzielen widmen. Überreicht wird der Preis von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, in diesem Jahr am 29. Oktober in Lübeck.
Quelle: Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)