Nachdem der Klimawandel durch Temperaturerhöhungen und CO2-Zunahme in der Atmosphäre bereits messbar ist, lässt er sich auch an Pflanzen und Tieren in der heimischen Natur nachweisen. Dies hat eine Literaturstudie der Universität Göttingen ergeben. Pflanzen blühen und fruchten früher, Zugvögel ziehen im Winter nicht mehr fort, und die Bewohner der Meere verändern ihr Wanderungsverhalten.
Die Ergebnisse der Studie basieren auf der Auswertung von 1.000 Literaturzitaten, die das Albrecht-von-Haller-Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Göttingen für das Bundesamt für Naturschutz (BfN) vorgenommen hat. Viele Arten reagieren demnach bereits auf die Klimaveränderungen, indem sie ihr Verhalten umstellen, ihren Lebensrhythmus anpassen oder sich ihre Verbreitungsgebiete verschieben.
Einwanderer und Artensterben
Die Auswirkungen des Klimawandels auf Tier- und Pflanzenarten sind kaum vorhersagbar. Es scheint aber absehbar, dass neue Spezies mit noch unbekannten Eigenschaften bei uns einwandern, einheimische Arten dagegen aufgrund des veränderten Klimas aussterben oder abwandern werden. „In Deutschland könnten zwischen fünf und 30 Prozent der Arten aussterben. Wenn eine Reduktion der Klimaerwärmung nicht gelingt“, so der Präsident des Bundesamtes für Naturschutz Prof. Hartmut Vogtmann, „können nur größere, vernetzte Schutzgebiete genügend Ausweich- beziehungsweise Wanderungsmöglichkeiten bieten.“
Komplexes Faktorengeflecht
Andere menschliche Einflüsse wie Nährstoffanreicherungen im Boden und im Wasser oder die Luftverschmutzung wirken dabei mit dem Klimawandel zusammen. Deshalb ist es beispielsweise schwierig zu sagen, welchen konkreten Anteil das Klima an der veränderten Ausbreitung des Rankenden Lerchensporns (Ceratocapnos claviculata) hat. Bei Vogelarten dagegen existieren oft jahrhundertelange Aufzeichnungen. So ist bekannt, dass sich der Bienenfresser (Merops apiaster) in wärmeren Zeiten ausbreitet. Für das Jahr 1638 ist sein Vorkommen im Saaletal in Sachsen-Anhalt belegt, in der folgenden sogenannten „kleinen Kaltzeit“ verschwand er wieder. Seit 1990 ist er dort wieder mit inzwischen ca. 100 Brutpaaren anzutreffen. Dem gegenüber rückt der kühlebedürftige Wasserpieper (Anthus spinoletta) im Schwarzwald in immer höhere, kühlere Regionen auf.
Kuckuck kommt zu spät
Der Kuckuck ist ein Beispiel für die Komplexität der Folgen eines veränderten Klimas. Die „Opfer“ des Kuckucks, Singvögel, in deren Nester er seine Eier legt, kehren inzwischen früher heim. Der Kuckuck selbst hat den Zeitpunkt seiner Rückkehr noch nicht darauf eingestellt, so dass er bei seiner Ankunft bereits belegte Nester vorfindet. Als „Kompensation“ weicht er auf höhere, kühlere Lagen aus. „Wie lange es Arten wie dem Kuckuck bei uns noch nicht „zu heiß“ wird, ist fraglich“ so Prof. Vogtmann. „Um unsere Tier- und Pflanzenwelt nicht einem Experiment mit ungewissem Ausgang zu unterziehen, ist es erforderlich, den Klimaschutz weiter voranzutreiben. Dazu gehört auch die naturverträgliche Nutzung erneuerbarer Energien“.
(Bundesamt für Naturschutz, 07.09.2004 – ESC)