Paradoxer Effekt: Durch die globale Erwärmung leiden Bäume in Mitteleuropa schon jetzt vermehrt unter Frostschäden, wie eine Studie enthüllt. Demnach werden durch den Klimawandel die Winter zwar milder, dafür aber schlagen viele Baumarten im Frühjahr zeitiger aus. Als Folge blühen sie zu einer Zeit, in der plötzliche Kälteeinbrüche mit Frost häufiger vorkommen. Besonders betroffen sind auch Baumarten in Norddeutschland.
Der Klimawandel beeinflusst längst auch die Pflanzenwelt unseres Planeten. So zeigen Studien, dass sich die Vegetationsperiode vieler Pflanzenarten inzwischen verlängert hat: Wegen der milderen Temperaturen treiben sie im Frühjahr zeitiger aus und beenden im Herbst ihr Wachstum später. Gleichzeitig regt der steigende Kohlendioxidgehalt der Luft das Pflanzenwachstum an – das CO2 wirkt in gewissem Maße als Dünger. Als Folge hat die Primärproduktion der Vegetation schon um 30 Prozent zugenommen.
Verschiebung birgt Frostrisiko
Doch gerade der frühere Wachstums- und Blühbeginn im Frühjahr birgt auch Risiken: In dieser Jahreszeit kann es immer mal Kälteeinbrüche mit Frost geben. Die meisten kälteempfindlichen Pflanzenarten haben sich daran angepasst und treiben erst aus, wenn die Temperaturen steigen und die Gefahr geringer ist. Durch den Klimawandel sind jedoch Winter und Frühjahr wärmer und milder geworden – und das wiegt die Pflanzen sozusagen in falscher Sicherheit:
Beginnen sie wegen des milderen Klimas ihren Blühbeginn nach vorn zu verschieben, können sie in die Phase häufigerer Frosteinbrüche geraten. „Die Pflanzenarten, die ihren phenologischen Zeitplan besonders stark nach vorn verschieben, könnten dadurch ein höheres Risiko haben, Spätfröste zu erleben“, erklären Qianqian Ma von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Guangzhou und seine Kollegen. In welchem Maße dies für 27 häufige Baumarten in Mitteleuropa gilt, haben sie nun anhand von Austriebszeiten und Klimadaten aus rund 30 Jahren ermittelt.
Norddeutschland besonders betroffen
Das Ergebnis: Bei zehn der 27 Baumarten hat sich der Zeitpunkt der Blüte oder des Austreibens schneller nach vorne verschoben als der Tag des letzten Frühjahrsfrosts in ihrem Verbreitungsgebiet. Zu diesen Baumarten gehören unter anderem Stieleiche, Grau- und Schwarzerle, Esche, Spitzahorn, Hängebirke und Flieder. Aber auch einige Obstbaumarten könnten künftig gefährdet sein, sagen die Forscher.
Neben der spezifischen Reaktion der Baumarten spielt dafür auch die geografische Lage eine wichtige Rolle: Den Auswertungen zufolge sind Bäume im Flachland und in Küstengebieten besonders gefährdet. „In den kontinentalen Höhenlagen sind die Bäume besser daran angepasst, Frühjahrs-Frostschäden zu vermeiden“, erklären die Forscher. Das sei in der norddeutschen Tiefebene und anderen flachen, vom Meeresklima geprägten Regionen weniger der Fall.
„Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass Bäume in vielen Teilen Mitteleuropas zunehmende Frostschäden erleiden werden“, sagt Seniorautor Frank Berninger von der Universität Ostfinnlands. „Gerade der Nordwesten Deutschlands, der ein wichtiges Obstanbaugebiet ist, hat bereits substanzielle Zunahmen von Frühlingsfrösten und deren Folgen erlebt“, so Berninger. (Global Change Biology, 2018; doi: 10.1111/gcb.14479)
Quelle: University of Eastern Finland