Klima

Klimawandel: Plankton ist widerstandsfähiger als gedacht

Sauerstoffproduzierende Meeresalgen passen sich an Nährstoffmangel an

Ozean
Das Phytoplankton in den Ozeanen könnte sich mit cleveren Anpassungen vor dem Klimawandel schützen. © mihtiander/ iStock

Robuste Winzlinge: Marines Phytoplankton könnte gegenüber künftigen Klimaveränderungen widerstandsfähiger sein als bisher angenommen, wie Wissenschaftler nun herausgefunden haben. Demnach passen sich einige Arten an den zunehmenden Nährstoffmangel an, der mit steigenden Wassertemperaturen einhergeht. Die Photosynthese-Rate der kleinen Sauerstofffabriken könnte also entgegen bisherigen Annahmen sogar zunehmen statt sinken.

Phytoplankton sind winzige Algen, die in den obersten, lichtdurchfluteten Meeresschichten leben. Sie betreiben Photosynthese, indem sie dem umgebenden Meerwasser gelösten Kohlenstoff, Nitrat und Phosphor entziehen und daraus organisches Material und Sauerstoff herstellen. Etwa jedes zweite Sauerstoffmolekül, das wir einatmen, stammt von marinem Phytoplankton. Welchen Einfluss der Klimawandel auf die kleinen Sauerstoffproduzenten haben wird, ist also von entscheidender Bedeutung für die Bewohnbarkeit unseres Planeten.

Bislang ist allerdings noch ungewiss, wie sich die jährliche Photosynthese-Rate des Phytoplanktons in den kommenden Jahrzehnten tatsächlich entwickeln wird. Eine Theorie besagt, dass sie sinken könnte, weil sich die oberen Meeresschichten immer weiter erwärmen und dadurch schrittweise nährstoffärmer werden. Das würde dem Phytoplankton seine Lebensgrundlage entziehen.

Überraschung in hawaiianischen Gewässern

Es könnte allerdings auch andersherum kommen und die weltweite Photosynthese-Rate könnte trotz fortschreitendem Klimawandel sogar steigen statt sinken. Das legen zumindest aktuelle Simulationen von Forschenden um Eun Young Kwon vom Institute for Basic Science in Südkorea nahe. Den entscheidenden Hinweis auf diesen Zusammenhang erhielten sie durch die Auswertung von Phytoplanktondaten aus einer Langzeitstudie vor Hawaii.

Die Beobachtungsdaten zeigten, dass die Phytoplankton-Produktion im Nordpazifik im Laufe der letzten drei Jahrzehnte stetig zugenommen hat, auch in Zeiten, in denen in den oberen Meereszonen Phosphormangel herrschte. Das deutet Kwon und ihrem Team zufolge daraufhin, dass zumindest einzelne Phytoplanktonarten offenbar Wege gefunden haben, ihren Stoffwechsel an die veränderten Verhältnisse anzupassen.

Um zu untersuchen, ob und wie sich diese Anpassungen in Zukunft global auswirken könnten, führte das Team eine Reihe von Klimamodell-Simulationen mit dem Community Earth System Model (CESM2) auf einem Supercomputer durch. Sie simulierten dabei zwei verschiedene Szenarien: Entweder kann sich das Phytoplankton an den drohenden Nährstoffmangel anpassen oder es ist nicht fähig dazu.

Weltkarte
Passt sich das Phytoplankton an den Nährstoffmangel an, dann könnte seine Produktivität in einigen Regionen erheblich steigen (rot markiert). © Eun Young Kwon und M.G. Sreeush

Photosynthese-Rate könnte steigen

Das Ergebnis: Nimmt man den Nährstoffmangel als „Endgegner“ für das Phytoplankton an, dann wird die globale Produktivität der Algen bis Ende des Jahrhunderts um acht Prozent sinken. Geht man jedoch davon aus, dass das Plankton sich an diesen Mangel anpasst, dann könnte die Produktivität sogar um fünf Prozent steigen. „Regional können diese zukünftigen Produktivitätsunterschiede jedoch viel höher sein und in subtropischen Regionen bis zu 200 Prozent erreichen“, sagt Kwon. Dieser Produktivitätsschub hätte außerdem zur Folge, dass der Ozean mehr Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre aufnehmen und unter der Meeresoberfläche binden kann.

Doch wie gelingt es den Algen, ihre Photosynthese-Prozesse komplett umzustellen? „Unter phosphorarmen Bedingungen können einzelne Phytoplanktonzellen Phosphor durch Schwefel ersetzen“, erklärt Kwons Kollege David Karl. Algen in subtropischen Regionen mit niedriger Nährstoffkonzentration im Oberflächenwasser hätten sich außerdem dahingehend angepasst, dass sie generell weniger Phosphor pro in ihren Zellen gespeicherter Kohlenstoffmenge aufnehmen. Weltweit betrachtet könnten sich solche Arten, die insgesamt weniger Phosphor benötigen, im Zuge der Klimaerwärmung vermehrt durchsetzen.

Anpassungsfähig, aber nicht kugelsicher

Doch die Ergebnisse des Forschungsteams bedeuten noch keine Entwarnung. „Auch wenn unsere Studie die Bedeutung der biologischen Pufferung von ökologischen Veränderungen auf globaler Ebene aufzeigt, bedeutet dies nicht, dass das Phytoplankton gegen den vom Menschen verursachten Klimawandel immun ist“, warnt Kwon.

So würde die zunehmende Versauerung der Ozeane bei bestimmten Phytoplanktonarten wie den Kalkalgen zum Beispiel dazu führen, dass sie immer dünnere Kalkskelette ausbilden. Das könnte solche Arten verdrängen und „zu großräumigen Verschiebungen in den Ökosystemen führen“ – mit bislang unbekannten Auswirkungen. (Science Advances, 2022; doi: 10.1126/sciadv.add2475

Quelle: Institute for Basic Science (IBS), Amerikanische Vereinigung zur Förderung der Wissenschaft (AAAS), Science Advances

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