Darf eine Frau in der Ehe gebildeter sein als ihr Mann? Früher hatte diese Kombination tatsächlich ein deutlich höheres Scheidungsrisiko. US-Forscher haben nun überprüft, wie es heute damit aussieht. Ihr Ergebnis: Die alten Zeiten sind auch in der Partnerschaft vorbei. Heute sind Ehen mit gebildeteren Frauen genauso stabil wie Ehen mit Partner des gleichen Bildungsniveaus. Das alte Rollenmuster dagegen bedeutet Ärger: Hat der Mann den höheren Status, liegt die Scheidungsrate höher, wie sich herausstellte.
Früher war die Rollenverteilung klar: Der Mann ging arbeiten und hatte in der Regel die bessere Ausbildung und Bildung, die Frau war Hausfrau und Mutter – und verzichtete dafür meist auch auf höhere Bildungsabschlüsse. Typisch für diese Ära auch der Spruch: „Eine zu kluge Frau findet eh keinen Mann.“ Noch bis in die 1990er Jahre hinein spiegelten sich diese alten Klischees auch in der Scheidungsstatistik wider: Ehen, bei denen die Frau den höheren Bildungsstand hatte, wurden häufiger geschieden, wie Studien zeigten.
Wer hat die „Hosen an“?
Heute sieht es dank Gleichberechtigung anders aus: Längst ist der Bildungstand bei Frauen im Durchschnitt höher als bei ihren männlichen Altersgenossen. Und in der Ehe hat sie genauso oft die „Hosen an“ wie er. „Heute kommt es häufig vor, dass die Frauen eine bessere Bildung haben als ihr Mann“, berichtet Christine Schwartz von der University of Wisconsin-Madison. Bei den Ehen, die zwischen 2005 und 2009 geschlossen wurden, waren 30 Prozent der Frauen besser gebildet als ihre Ehemänner, wie die Forscher berichten. In den Partnerschaften mit ungleichem Bildungsstand war bei 60 Prozent die Frau die gebildetere.
Aber wie wirkt sich dies auf die Scheidungen aus? „Bisherige empirische Studien deuteten darauf hin, dass der negative Effekt der gebildeteren Frauen nach wie vor vorhanden ist“, erklären die Forscher. Doch diese Studien bezogen sich oft auf Ehen, die schon in den 1980er Jahren oder sogar noch früher geschlossen worden waren. Schwartz und ihre Kollegen haben daher nun erstmals das Ganze auch bei jungen Paaren überprüft. Für ihre Studie vergleichen sie Bildungsstand und Scheidungsstatistiken von Ehen, die zwischen 1950 und 2009 geschlossen wurden.
Gebildetere Frau – stabilere Ehe
Ihr Ergebnis zeigt eine klaren Umkehr des früheren Trends: „Paare, bei denen beide Partner den gleichen Bildungsstand haben, werden heute deutlich weniger oft geschieden als diejenigen, bei denen der Mann die höhere Bildung hat“, berichten die Forscher. Umgekehrt sind Ehen mit gebildeteren Frauen stabiler als früher und ähnlich langlebig wie Ehen mit Partnern gleichen Bildungsstands. Vor allem für hochgebildete Frauen sank das Scheidungsrisiko überproportional stark, wie die Auswertungen zeigen.
„Diese Ergebnisse spiegeln den Trend weg vom Mann als alleinigem Brötchenverdiener und hin zu einer gleichberechtigteren Partnerschaft wider“, sagt Schwartz. Diese Beziehungen sind auch deshalb stabiler, weil sich die Rollenklischees verändert haben. Der Mann muss sich durch eine kluge oder sogar klügere Frau nicht mehr in seiner Geschlechteridentität bedroht fühlen, erklärt die Forscherin.
Die Angst, dass Männer keine zu klugen Frauen wollen, sei damit endgültig überholt. „Der Zusammenhang zwischen Bildung, Heirat und Scheidung zeigt, dass die Paare heute in der gesellschaftlichen Realität angekommen sind: Frauen haben oft eine bessere Bildung als Männer“, konstatiert Schwartz. (American Sociological Review, 2014; doi: 10.1177/0003122414539682)
(American Sociological Association, 25.07.2014 – NPO)