Der bizarre Osedax-Wurm existierte schon in der Kreidezeit – und damit lange bevor es seine heutige Leibspeise gab: die Knochen von toten Walen. Das belegen nun Fraßspuren dieses Wurms in 100 Millionen Jahre alten Knochen eines Meeressauriers. Damit ist Osedax nicht nur älter als bisher angenommen, die Funde zeigen auch, dass die Würmer ihren Speiseplan flexibel anpassten, wie Forscher im Fachmagazin „Biology Letters“ berichten.
Die erst 2004 entdeckten Osedax-Würmer sind reichlich bizarr: Sie besitzen weder Augen, Mund noch Darm und auch ihre Fortpflanzung ist ziemlich seltsam. Lebensraum und Leibspeise zugleich sind für sie die Knochen vergammelter Walkadaver, die auf den Grund des Meeres hinabgesunken sind. Dort ragt ihr Kopfende mit den Kiemenanhängen aus den Knochen heraus, ihr wurzelartig verzweigtes Hinterende ist dagegen tief im Inneren des Knochens verankert. Symbiotische Bakterien helfen ihnen dabei, die organischen Bestandteile des Knochenmaterials herauszulösen und zu verdauen.
Doch seit wann es diese eigentümlichen Würmer gibt, blieb bisher unklar. Zwar stammen die ältesten fossilen Belege aus 30 Millionen Jahre alten Knochen eines Urzeitwals. Genetische Analysen sprechen aber dafür, dass Osedax sich schon viel früher entwickelt haben könnte – entweder vor rund 45 Millionen Jahren oder sogar schon vor 125 Millionen Jahren. Wann genau, blieb bisher unklar.
Verräterische Wurmspuren
Das hat sich nun geändert. Denn Silvia Danise und Nicholas Higgs von der Plymouth University haben nun gleich drei Fossilien entdeckt, in denen Spuren des Osedax-Wurms zu finden sind. Beim ersten handelt es sich um den 100 Millionen Jahre alten Oberarmknochen eines Plesiosaurus, eines bis zu 15 Meter langen Meeresreptils. Die anderen beiden Fossilien bestehen aus Rippen und Bauchpanzer von urzeitlichen Meeresschildkröten, die vor rund 60 Millionen Jahren lebten.
In allen drei Fossilien entdeckten die Forscher typische Indizien für einen Osedax-Befall: Bei der Durchleuchtung der Knochen mittels Computertomografie wurde eine kreisrunde, klar abgegrenzte Öffnung an der Knochenaußenseite sichtbar, die sich innen zu einer unregelmäßigen Kaverne erweiterte. „Auch wenn die modernen Osedax-Bohrungen eine große Spannbreite von Röhrenformen zeigen, diese Merkmale sind typisch für ihre Aktivität“, erklären Danise und Higgs.
Erst Saurier, dann Schildkröten
„Wir liefern damit den ersten fossilen Beweis dafür, dass die knochenfressenden Osedax-Würmer schon im Mesozoikum entstanden“, sagt Danise. „Sie erschienen damit lange vor der Entwicklung der Wale und überlebten sogar das Massenaussterben am Ende der Kreidezeit.“ Der gemeinsame Vorfahre aller heutigen Osedax-Würmer muss schon in der mittleren Kreidezeit entstanden sein, der Urahn aller röhrenbauenden Bartwürmer (Siboglinidae), der Familie, zu der Osedax gehört, könnte sogar noch viel älter sein, wie die Forscher erklären.
Die Schildkröten-Fossilien erklären wiederum, wie die Knochenfresser-Würmer die Zeit vom Aussterben der Meeressaurier vor rund 65 Millionen Jahren bis zur Entwicklung der ersten Wale vor rund 45 Millionen Jahren überdauerten: Sie nutzten offenbar urzeitliche Schildkröten-Kadaver als Überbrückungs-Speise. (Biology Letters, 2015; doi: 10.1098/rsbl.2015.0072)
(Royal Society, 15.04.2015 – NPO)