Auf frischer Tat ertappt: Entgegen gängiger Annahme trinken wildlebende Koalas doch – aber auf ungewöhnliche Weise. Denn die Beutelsäuger lecken das bei starkem Regen am Baumstamm herunterrinnende Wasser auf, wie Zufallsbeobachtungen enthüllen. Wasserstellen am Boden lassen sie dagegen eher links liegen. Das erklärt, warum man bisher noch nie Koalas in freier Wildbahn trinken sah – bei nächtlichem Starkregen sind selbst Biologen nur selten auf Beobachtungsposten.
Koalas sind neben Kängurus wahrscheinlich die bekanntesten und beliebtesten Vertreter der Beuteltiere. Trotzdem haben die pelzigen Baumbewohner noch immer einige Überraschungen parat. So haben Forscher erst in den letzten Jahren herausgefunden, warum die Koalas eine so ungewöhnlich tiefe Stimme haben, weshalb sie ihre Bäume umarmen und wie sie sich vor bestimmten Viren schützen.
Woher bekommen Koalas ihr Wasser?
Aber eine Frage blieb bislang ungeklärt: Trinken Koalas? „Lange Zeit dachten wir, dass Koalas kaum trinken müssen, weil sie einen Großteil ihres Wassersbedarfs über die Eukalyptusblätter ihrer Nahrung decken“, erklärt Erstautorin Valentina Mella von der University of Sydney. Pro Tag verzehrt ein wildlebender Koala rund ein halbes Kilogramm Eukalyptusblätter und bekommt so drei Viertel der zum Überleben nötigen Flüssigkeit.
Aber woher kommt der Rest? Biologen haben zwar schon ab und zu beobachtet, dass Koalas in Gefangenschaft Wasser trinken. Bei Buschbränden oder extremer Dürre sieht man auch manchmal wildlebende Koalas an Teichen oder Swimmingpools. Aber dies galt eher als Ausnahme. Zudem weiß man, dass der Stoffwechsel der Koalas auf extremes Wassersparen ausgerichtet ist. Ob und wie die Tiere im Freiland unter normalen Bedingungen zusätzliches Wasser aufnehmen, blieb daher rätselhaft.
Den Baumstamm abgeleckt
Doch jetzt haben Mella und ihr Team das Rätsel gelöst – und Koalas quasi auf frischer Tat ertappt. Für ihre Studie baten sie Biologen und freiwillige Helfer in zwei regionalen Schutzgebieten in Victoria und New South Wales um ihre Mithilfe. Gemeinsam trugen sie alle Beobachtungen zusammen, die auf ein Trinkverhalten der Koalas hindeuten könnten – und wurden fündig.
Insgesamt 46 Mal hatten Biologen und Laienforscher im Verlauf der letzten Jahre durch Zufall ein ungewöhnliches Verhalten bei wilden Koalas beobachtet: Bei stärkeren Regenfällen schienen die Tiere Wasser vom Stamm oder dickeren Äste des Baumes abzulecken, auf dem sie saßen. Eine Koalamutter mit kleinem Kind trank auf diese Weise 15 Minuten lang, ein Koalamännchen brachte es sogar auf 34 Minuten am Stück, wie Mella und ihr Team berichten.
Kein Notbehelf, sondern bevorzugte Trinkweise
„Wir wussten schon, dass Koalas nahezu alle ihre Bedürfnisse mithilfe ihrer Bäume stillen, vom Futter über Schutz bis zum Schlafplatz“, erklärt Mella. „Unsere Studie zeigt nun, dass die Koalas sich auch für ihre Wasserversorgung auf die Bäume verlassen.“ Offensichtlich stillen die Tiere ihren Durst nicht an Wasserstellen am Boden, sondern warten auf den nächsten Regen und trinken dann direkt vom Stamm.
Denn die Beobachtungen enthüllten, scheint das Ablecken der Baumstämme kein bloßer Notbehelf zu sein: Die Koalas bevorzugten diese Art des Trinkens selbst dann, wenn ihr Baum direkt neben einem Wasserreservoir stand. „Das belegt, dass dieses Verhalten nicht auf Hitzestress zurückgeht, sondern die natürliche Art zu trinken für diese Tiere ist“, so die Forscherin. „Das verändert unser Bild davon, wie wildlebende Koalas im Freiland an Wasser kommen, erheblich.“
Wie notwendig ist das Wasserlecken?
Doch diese ungewöhnliche Art des Trinkens macht die Koalas auch besonders anfällig für Klimaänderungen. Denn das am Baumstamm herabrinnende Wasser steht nur solange zur Verfügung, wie es regnet. „Wenn der Regen ausbleibt, fehlt den Koalas dieses Wasser und sie könnten ernste Schwierigkeiten bekommen“, so Mella. Noch ist allerdings nicht geklärt, wie viel Koalas durch dieses Wasserlecken tatsächlich trinken und wie notwendig diese Wasseraufnahme ist.
„Weil Koalas nachtaktiv sind und man ihr Verhalten bisher nur selten bei starkem beobachtet hat, wurde ihr Trinken bisher weitgehend übersehen – und könnte daher unterschätzt worden sein“, sagt Mella. Weitere Studien müssen nun klären, ob Koalas in allen Populationen bei Regen am Baumstamm lecken oder ob dies nur in einigen Gegenden verbreitet ist. (Ethology, 2020; doi: 10.1111/eth.13032)
Quelle: University of Sydney