Gorilladame Koko bringt Biologen zum Staunen. Denn sie schafft etwas, was für Menschenaffen eigentlich unmöglich galt: Sie kann ihre Atmung und ihre Laute so kontrollieren, dass sie auf Kommando husten, grunzen und pusten kann. Das aber widerlegt die Theorie, nach der Menschenaffen schon rein körperlich nicht in der Lage sind, zu sprechen oder selbst Vorformen der Sprache zu äußern, wie Forscher im Fachmagazin „Animal Cognition“ berichten.
Wann lernten unsere Vorfahren zu sprechen? Bei dieser Frage liegt es nahe, bei unseren nächsten Verwandten, den Menschenaffen nach Hinweisen zu suchen. Doch als Forscher versuchten, Schimpansen und Gorillas das Sprechen beizubringen, scheiterten sie kläglich. Die Affen schienen nicht in der Lage, bewusste Laute zu formen. „Seither gilt die Annahme, dass Menschenaffen ihre Vokalisationen nicht bewusst kontrollieren können und auch nicht ihre Atmung“, erklärt Marcus Perlman von der University of Wisconsin-Madison.
Husten, Grunzen und Pusten
Dass unsere engsten Verwandten aber durchaus intelligent genug sind, um überhaupt eine Sprache zu lernen, belegen Beispiele wie die Gorilladame Koko. Sie kommuniziert seit gut 40 Jahren mit ihren menschlichen Betreuern über die amerikanische Gebärdensprache. „Ich ging eigentlich dorthin, weil ich Kokos Gesten näher studieren wollte“, erzählt Perlman. „Doch als ich Videos von ihr sah, bemerkte ich, dass sie auch ganz erstaunliche vokale Verhaltensweisen zeigte.“
Das Verhalten der Gorilladame schien den angestammten Vorstellungen von nur unwillkürlichen Lauten völlig zu widersprechen. Denn Koko kann beispielsweise auf Kommando husten, ein Blasinstrument spielen, ihre Nase putzen und eine Glasscheibe anhauchen, um sie zu putzen. Das alles aber erfordert eine bewusste Kontrolle der Atmung, die bisher als unmöglich galt. Perlman ging der Sache auf den Grund und fahndete in 71 Stunden Videobeobachtungen nach weiteren verräterischen Verhaltensweisen.
„Koko ist kein Ausnahmefall“
Und tatsächlich: Er entdeckt neun verschiedene Situationen, in denen Koko auf jeweils andere Art bewusst ihre Atmung kontrollierte oder Laute ausstieß. Das Besonders daran: Alle Verhaltensweisen war angelernt und damit nicht Teil des typischen, bloß instinktgesteuerten Gorilla-Repertoires. „Sie erzeugt dabei keine so schönen und regelmäßigen Töne, wie wir es beim Sprechen tun“, erklärt Perlman. „Aber sie kann ihren Kehlkopf genügend steuern, um kontrollierte, grunzende Töne hervorzubringen.“
Der Forscher vermutet, dass Koko damit kein Einzelfall ist. Zwar profitiert sie davon, dass sie von Kindheit an mit Menschen zusammenlebt und daher neue Kommunikationsformen gelernt hat. „Wahrscheinlich ist sie aber nicht talentierter als andere Gorillas“, so Perlman. „Der Unterschied liegt nur in ihren Umweltbedingungen. Deshalb sieht man so etwas auch nicht in wilden Gorilla-Populationen.“
Vorstufe schon beim letzten gemeinsamen Ahnen?
Nach Ansicht des Biologen beweist dies, dass Menschenaffen sehr wohl zu einer bewussten Kontrolle ihrer Atmung und Lautäußerung fähig sind – entgegen der gängigen Theorie. „Nach dieser können Menschenaffen nichts tun, das auch nur halbwegs dem menschlichen Sprechen ähnelt“, sagt Perlman. „Daher müsse sich die Sprache erst nach Abtrennung des Menschen vom letzten gemeinsamen Vorfahren von Schimpanse und Mensch entwickelt haben.“
Doch seine Beobachtungen zeigen nun, dass Gorillas durchaus die körperlichen Voraussetzungen besitzen, um mittels kontrollierten Lauten zu kommunizieren – und damit für eine Vorstufe der Sprache. „Koko überbrückt damit einen Lücke“, so der Forscher. „Sie zeigt, dass Menschenaffen unter den richtigen Umweltbedingungen zumindest eine halbwegs flexible Kontrolle über ihren vokalen Trakt erlangen können.“ (Animal Cognition, 2015; doi: 10.1007/s10071-015-0889-6)
(University of Wisconsin-Madison, 14.08.2015 – NPO)