Wie nimmt das Gehirn unsere eigenen Gliedmaßen wahr? Zum ersten Mal haben jetzt Wissenschaftler die Gehirnaktivität bei der Eigenwahrnehmung des Körpers in einem Experiment aufgezeichnet – und auch registriert, ob sich das Gehirn dabei austricksen lässt. Ihre Ergebnisse geben neue Einblicke in die Mechanismen von Krankheiten wie Schizophrenie oder den Phantomschmerz bei Amputierten.
{1l}
In einer am 5. Juli im Science Express veröffentlichten Studie testete Dr. Henrik Ehrsson vom London University College gemeinsam mit Kollegen der Universität Oxford, ob und wie die Körperwahrnehmung von Versuchspersonen durch Sehen, Berührung und Richtung getäuscht werden kann.
In dem Experiment wurden die Probanden gebeten, ihre rechte Hand unter dem Tisch zu verstecken. Gleichzeitig wurde eine künstliche Hand aus Gummi so auf dem Tisch deponiert, dass sie zum Körper zu gehören schien. Der Versuchsleiter berührte anschließen sowohl die Gummihand als auch die reale Hand mehrfach mit einem Pinsel. Die Gehirnaktivität der Versuchspersonen wurde währenddessen mithilfe eines funktionellen Magnetresonanztomographen registriert.
Je stärker das falsche Eigengefühl desto aktiver die Gehirnaktivität
Es zeigte sich, dass die Probanden schon nach kurzer Zeit die Berührung der Kunsthand genauso empfanden, als wenn ihr realer Arm gereizt worden wäre. Im Durchschnitt dauerte es nur elf Sekunden bis das Gehirn die sichtbare Reizung der Gummihand als Körperberührung interpretierte. Je stärker dieses falsche Eigengefühl war, desto aktiver war auch die Gehirnaktivität im Bereich des prämotorischen Kortex.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass der prämotorische Kortex bei der Körperwahrnehmung offenbar Informationen aller drei verschiedenen Sinne miteinander verrechnet. Wenn sich allerdings die Signale der drei Sinne widersprechen, glaubt das Hirn offenbar im Zweifelsfall der visuellen Information. Wenn es „sieht“, dass der Kunstarm berührt wird, aber die Berührungssensoren im Arm keine Signale senden, interpretiert es dennoch die Berührung als geschehen.
Nach dem Experiment wurden die Freiwilligen gebeten, auf ihre rechte Hand zu deuten. Die meisten zeigten prompt in die falsche Richtung – auf den Kunstarm statt auf den unter dem Tisch versteckten echten Arm. Auch dies nach Ansicht der Forscher ein Hinweis darauf, wie sehr sich das Gehirn durch die widersprüchlichen Signale umpolen lässt.
„Das Gefühl, dass unser Körper zu uns gehört ist ein fundamentaler Teil des menschlichen Bewusstseins, und doch existieren bislang überraschend wenige Studien zum Körperbewusstsein“, erklärt Ehrsson. „Diese Studie zeigt, dass das Gehirn das Selbst vom Nicht-Selbst unterscheidet, indem es Information verschiedener Sinne vergleicht. Auf gewisse Weise könnte man sagen, dass unser Körperbewusstsein eine Gehirn erzeugte Illusion ist.“
Nach einem Schlaganfall oder bei schweren Formen der Schizophrenie kommt es häufig zu Störungen der Selbstwahrnehmung, eigene Gliedmaßen werden dann plötzlich nicht mehr als zum eigenen Körper gehörig erkannt. Ähnliches kann auch nach Schädigungen des prämotorischen Kortex auftreten. Umgekehrt scheint das Gehirn bei vielen Amputierten noch immer Sinneswahrnehmungen aus dem fehlenden Arm oder Bein zu registrieren, typisch ist hier der Phantomschmerz. Die neuen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, die Behandlung dieser Störungen der Eigenwahrnehmung zu verbessern.
(University College London, 06.07.2004 – DLO)