Zoologie

Kohlmeisen sind gewiefte Futterdiebe

Diebische Meisen erinnern sich selbst nach 24 Stunden noch an die Futterverstecke anderer Vögel

Kohlmeise am Futterplatz © Andrzej Jab&

Vögel, die für schlechte Zeiten Samen- und Nussvorräte anlegen, sollten sichergehen, dass sie beim Verstecken nicht von einer Kohlmeise beobachtet werden. Denn diese sind gewiefte Futterdiebe. Statt selbst Vorräte anzulegen, überlassen die Kohlmeisen dies lieber anderen Vögeln. Und wenn dann Not am Mann ist, zeigen sie eine erstaunliche Gedächtnisleistung: Noch 24 Stunden später erinnern sie sich an die Speisekammern der anderen und bedienen sich dort, wie schwedische Forscher berichten.

Ist der Winter lang und kalt, dann kann es für Vögel schon mal eng werden, wenn es darum geht, genügend Futter zu finden. Viele Vogelarten legen deshalb für schlechte Zeiten Vorräte an. Doch was tun Vögel, wie etwa die Kohlmeise, die nicht zu den Futter-Sammlern gehören, um diese Zeiten zu überbrücken? Dieser Frage haben sich Anders Brodin und Utku Urhan von der Universität in Lund angenommen und Erstaunliches beobachtet.

Die fleißigen Sammler im Blick

In einem eigens für Vogelexperimente gestalteten Speziallabor ließen die Wissenschaftler Sumpfmeisen Sonnenblumenkerne sammeln und verstecken. Im gleichen Raum saßen saßen Kohlmeisen in Käfigen und konnten den Sumpfmeisen ungestört dabei zusehen. Eine bis 24 Stunden später durften sie sich dann auf die Suche nach den Vorräten machen. Die Forscher beobachteten, dass die Kohlmeisen sehr erfolgreich darin waren, die Fremdlager aufzustöbern und zu plündern. Auch nach 24 Stunden konnten sie sich noch sehr gut erinnern, wo sie die begehrten Sonnenblumenkerne finden.

Nach Ansicht der Forscher belegt dies, dass Kohlmeisen erhebliche kognitive Fähigkeiten besitzen: Dieser Vogel ist in der Lage, aus Beobachtungen zu lernen. Ein derartiger Futterdiebstahl konnte bislang nur bei einigen Rabenvögeln, wie dem mexikanischen Eichelhäher und dem Kiefernhäher beobachtet werden. Eichelhäher und Kiefernhäher legen allerdings auch selbst Depots mit Nahrung an. Sie sind also geübt darin, sich den Ort ihrer Lager einzuprägen und können diese Gedächtnisleistung auf fremde Vorratskammern übertragen.

Überleben mit dem Futter anderer

Im Gegensatz zu den Hähern ist die Kohlmeise jedoch kein Futtersammler, sie legt keine eigenen Nahrungsvorräte an. Das mache die Beobachtungen so überraschend, so Brodin und Urhan. Ein Sammler prägt sich das direkte Umfeld des Verstecks sehr detailliert ein. Ein Futterdieb hingegen sieht das Depot nur aus der Ferne und daher aus einer ganz anderen Perspektive. Die Wissenschaftler gehen deshalb davon aus, dass die Kohlmeisen zur Ortung der Lager ein gewisses räumliches Erinnerungsvermögen haben müssen und andere Gedächtnistechniken als die Sammler einsetzen.

Gerade weil Kohlmeisen selber keine Vorräte anlegen, ist ihr diebisches Verhalten für ihr Überleben so wichtig. „Die Fähigkeit, Beobachtungen zu speichern, könnte für Nicht-Sammler wichtiger sein als für Sammler“, erklärt Brodin. Denn besonders wenn die Futterlage schlecht ist, ist es überlebenswichtig zu wissen, wo sich Nahrung findet. „Nach einem Schneesturm beispielsweise entscheidet der Zugang zu einem Futterversteck über Leben und Tod.“ Und die Kohlmeisen können sich ja nicht immer darauf verlassen, dass wir jeden Winter in unseren Gärten ausreichend Meisen-Knödel für sie in die Bäume hängen. (Behavioral Ecology and Sociobiology, 2014; doi: 10.1007/s00265-013-1679-2(Springer science and business media, 13.02.2014 – KEL)

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