Flügelschlagende Trinker: Nektarschlürfende Kolibris tolerieren ihre Nahrung auch mit Schuss – sie nehmen oft Alkohol auf, der durch natürliche Gärung des zuckerhaltigen Blütennektars entsteht, wie eine Studie jetzt zeigt. Dies macht sie aber trotzdem nicht dauerbetrunken. Denn die Kolibris achten sehr genau auf die Dosierung der unfreiwilligen Alkoholbeimischung, zudem baut ihr Körper das Ethanol sehr schnell wieder ab, wie die Forschenden erklären.
Früchte und Blütennektar sind bei einigen Tiere aufgrund ihres hohen Zuckergehalts und der großen damit verbundenen Kalorienmenge äußerst beliebt. Doch Teile dieser Süße können sich auf natürliche Weise in Alkohol verwandeln. Siedeln sich Hefen und Bakterien im Nektar an, fermentieren diese Teile des Zuckers und stellen dabei Ethanol her. So bringt es zum Beispiel der Nektar einer südostasiatischen Palmenart auf bis zu 3,8 Prozent Alkoholgehalt. Doch wie gehen Tiere wie der Kolibri damit um, wenn sie täglich 80 Prozent ihres Eigengewichts in Nektar zu sich nehmen?
Zuckerwasser mit Schuss
Julia Choi und ihre Kollegen von der University of California in Berkeley haben nun untersucht, welchen Alkoholgehalt Kolibris im Nektar präferieren, wenn sie die Wahl haben. Dafür boten sie männlichen Annakolibris jeweils die Möglichkeit, aus zwei verschiedenen Behältern mit Zuckerwasser zu trinken. Diese enthielten entweder gar keinen Alkohol oder ein beziehungsweise zwei Prozent.
Über mehrere Tage hinweg mischten Choi und ihr Team den Versuchsaufbau systematisch durch, sodass jede der drei Zuckerlösungen mindestens einmal gepaart mit jeder anderen angeboten wurde. Die Forschenden maßen nach jeder dreistündigen Auswahlrunde, wie viel Milliliter Zuckerwasser die Kolibris pro Behälter getrunken hatten. Dadurch konnten sie dann auf die Präferenzen der Vögel schließen.
„Hochprozentiger” Nektar weniger beliebt
Das Ergebnis: „Die Kolibris konsumierten Nektar aus allen drei Ethanol-Lösungen, wenn auch in unterschiedlichem Maße“, berichten Choi und ihre Kollegen. Dabei spielte es für die Vögel offenbar keine Rolle, ob die Lösung null oder ein Prozent Ethanol enthielt. Sie bedienten sich bei beiden gleichermaßen. Nicht so bei der Zuckerlösung mit zwei Prozent Alkohol: Die Forschenden beobachteten, dass die Kolibris deutlich weniger von diesem „hochprozentigen“ Zuckerwasser tranken, wenn sich ihnen eine weniger alkoholhaltige Alternative bot.
„Sie nahmen insgesamt zwar immer noch die gleiche Gesamtmenge an Ethanol zu sich, reduzierten aber das Volumen der aufgenommenen zweiprozentigen Lösung. Das war eine Art Schwelleneffekt“, berichtet Chois Kollege Robert Dudley. Die Biologen schließen daraus, dass die Vögel auf diese Weise verhindern, mehr als im Schnitt 1,5 Prozent Alkohol mit ihrer Nektarnahrung aufzunehmen. Eine höhere Dosis wäre für sie wahrscheinlich giftig, daher haben sie entsprechende Anpassungsmechanismen entwickelt.
Steter Pegel, aber nicht betrunken
Dass die Vögel nicht zimperlich mit der einprozentigen Lösung hantierten, zeigt Dudley aber auch, dass Ethanol wahrscheinlich ein natürlicher Bestandteil ihrer Ernährung ist, dem sie gezwungenermaßen täglich ausgesetzt sind. Doch die Kolibris haben offenbar gelernt, damit zu leben. „Sie verbrennen den Alkohol und verstoffwechseln ihn sehr schnell. Das Gleiche gilt für den Zucker. Sie sehen also wahrscheinlich keine wirkliche Wirkung. Sie werden nicht betrunken“, erklärt Dudley.
In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler nun messen, wie viel Ethanol natürlicherweise in Blüten enthalten ist und wie häufig er von Kolibris konsumiert wird. Sie planen außerdem, einige weitere nektarfressende Vögel aus anderen Teilen der Welt hinsichtlich ihres Alkoholkonsums zu untersuchen.
Modell für menschlichen Umgang mit Alkohol?
Die Erkenntnisse von Choi und ihrem Team könnten außerdem Aufschluss über Muster menschlichen Alkoholkonsums und -missbrauchs geben. „Ich denke, um die menschliche Begierde nach Alkohol besser zu verstehen, brauchen wir bessere Tiermodelle“, so Dudley. Eines davon könnten künftig die nektarfressenden Kolibris sein. (Royal Society Open Science, 2023; doi: 10.1098/rsos.230306)
Quelle: University of California – Berkeley, Royal Society Open Science