Züngelnde Überraschung: Biologen haben in Costa Rica eine bisher unbekannte Seeschlangen-Unterart mit einem ungewöhnlichen Jagdverhalten entdeckt. Anders als ihre Verwandten geht die auffallend gelbe Schlange bevorzugt nachts und in turbulenten Gewässern auf Beutefang – und nimmt dabei eine ganz spezielle Pose ein: Sie kringelt sich kopfüber zu einem bojenartigen Bündel zusammen, um mit offenem Maul auf schmackhafte Nahrung zu warten.
Die Plättchen-Seeschlange gehört zu den am weitesten verbreiteten Schlangen der Welt. Das rund 80 Zentimeter lange Reptil ist im Indischen Ozean genauso zu Hause wie im tropischen Pazifik, im Persischen Golf genauso wie im Meer um Japan. Dank ihrem braunen Rücken, gepaart mit dem auffällig gelben Bauch und der gemusterten Schwanzspitze lässt sich Hydrophis platurus leicht von anderen Seeschlangen-Spezies unterscheiden.
Und noch etwas zeichnet die giftige Jägerin aus: Anders als ihre Verwandten kommt sie nicht nur in Küstennähe vor, sondern hat sich perfekt an ein Leben im offenen Meer angepasst. Von der Fortpflanzung bis zur Nahrungsaufnahme findet bei der Plättchen-Seeschlange alles auf hoher See statt. Dabei lässt sie sich tagsüber gerne entspannt von der Strömung in ruhige Wasser treiben, um dort von der Oberfläche aus nach kleinen Fischen zu schnappen, die in ihr Blickfeld schwimmen.
Gelbe Neuentdeckung
Eigentlich, so dachten Wissenschaftler, ist über das Leben dieser Seeschlangen alles bekannt. Doch nun haben Brooke Bessesen vom Phoenix Zoo und Gary Galbreath von der Northwestern University in Evanston in der Golfo Dulce-Bucht in Costa Rica eine neue Unterart der Plättchen-Seeschlange entdeckt, die nicht nur optisch aus der Reihe tanzt, sondern auch überraschende Verhaltensweisen an den Tag legt.
Hydrophis platurus xanthos, wie die jüngst getaufte Schlange heißt, wirkt schon auf den ersten Blick anders. Denn ihr ganzer Körper erstrahlt in einer zitronengelben Färbung – von einem dunklen Rücken keine Spur. Außerdem ist die Seeschlange rund 20 Zentimeter kleiner und um einiges leichter als ihr bekannteres Familienmitglied.
Ungewöhnliche Pose
Ein weiteres besonderes Merkmal entdeckten die Forscher, als sie Exemplare der Unterart über Jahre hinweg in ihrem natürlichen Lebensraum beobachteten: Demnach geht Hydrophis platurus xanthos bevorzugt nachts anstatt tagsüber auf Jagd – und das unter erschwerten Bedingungen. Denn die Gewässer, in denen sich die Schlange auf Beutejagd begibt, sind ungewöhnlich turbulent.
Dabei hat die Schlange offenbar eine ganz eigene Technik entwickelt, um bei wildem Wellengang auf Beute zu warten: Fast immer, wenn sie im Dunkel der Nacht auf Jagd geht, kringelt sich Hydrophis platurus xanthos nahe der Wasseroberfläche kopfüber zu einem sinusförmigen Bündel zusammen. Ihr Maul weit aufgerissen, übt sie sich dann in Geduld, bis ein schmackhaftes Beutetier in Reichweite kommt, das sie aus dem Hinterhalt überraschen kann.
Ungeklärte Verwandtschaft
„Dass dies die typische Jagd-Pose der gelben Seeschlange zu sein scheint, war wohl die erstaunlichste Entdeckung für uns“, schreiben Bessesen und Galbreath. So hätten sie die Schlange tagsüber kein einziges Mal in dieser ungewöhnlichen Haltung beobachtet. Doch warum diese Pose? Vermutlich verleiht die eng gebündelte Körperhaltung der Schlange eine besondere Stabilität im turbulenten Wasser, glauben die Wissenschaftler. Die Schlange werde sozusagen zu einer stabilen Boje.
Weitere Untersuchungen sollen nun mehr über das geheimnisvolle Leben der gelben Verwandten der Plättchen-Seeschlange lüften. Womöglich könnte sich dabei sogar herausstellen, dass es sich bei Hydrophis platurus xanthos doch nicht um eine Unterart, sondern um eine ganz eigene Spezies handelt.
Akut bedroht?
Schon jetzt scheint aber klar, dass die Schlangen mit dem Faible für ungewöhnliche Posen bedroht sein könnten. Wie die Forscher betonen, ist der auf rund 320 Quadratkilometer begrenzte Lebensraum der Reptilien derzeit nicht geschützt. Immer wieder seien Schlangenliebhaber dabei beobachtet worden, einzelne Exemplare der Exoten aus dem Meer zu entfernen.
Und auch der Klimawandel könnte der gelben Seeschlange zum Verhängnis werden. Denn sie lebt in sehr warmen Gewässern und bewegt sich damit an der Obergrenze dessen, was diese Art wahrscheinlich aushalten kann. Das mache sie besonders anfällig für eine weitere Erwärmung, schreibt das Team. (Zoo Keys, 2017; doi: 10.3897/zookeys.686.12682)
(Pensoft Publishers, 01.08.2017 – DAL)