Tiere, die bei Nacht auf Beutefang gehen, setzen auf andere Sinne als die Augen – zum Beispiel auf ihr Gehör. Wissenschaftler haben nun herausgefunden, wie diese Jäger Insekten und Spinnentiere durch das Geräusch ihrer Fortbewegung ertappen. Je nach dem auf welchem Untergrund und mit welcher Geschwindigkeit sie sich bewegen, sind sie mehr oder weniger gut und weit wahrnehmbar
Es fing an mit Weberknechten, die auf dem Speiseplan einiger europäischen Fledermausarten stehen. Denn diese lang- und dünnbeinigen Spinnentiere leben auf Wald- und Wiesenboden, was es wiederum den Fledermäusen erschwert, sie bei ihrer Futtersuche zu orten. „Mit Ultraschalllauten können Fledermäuse vor allem fliegende Beutetiere orten. Bewegt sich das Beutetier zu nahe am oder gar auf einem Untergrund, so überlappt sich das Bodenecho mit dem der Beute“, erklärt Björn Siemers, Leiter der Nachwuchsgruppe Sinnesökologie am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen. Und dann wird es für die echoortende Fledermaus sehr schwierig, die Beute zu erkennen.
Viele Fledermäuse, aber auch andere nächtliche Jäger wie Eulen oder einige Affenarten in Madagaskar, hören daher auf Geräusche, die von der krabbelnden Beute selbst ausgehen. Aber wie gut hört man einen leichtfüßigen Weberknecht oder einen raschelnden Käfer? Siemers und zwei seiner Studenten wollten herausfinden, welchen Einfluss der Untergrund auf die Geräusche hat, die beim Laufen der Insekten entstehen.
Waldboden im Tonstudio
Dazu verglichen die Wissenschaftler die Geräusche von Laufkäfern ähnlicher Größe, wenn sie über natürliche Substrate wie Buchenlaubstreu, eine frisch gemähte Wiese oder umgepflügten Boden krabbeln. Die Tonaufnahmen entstanden in einem schallisolierten Raum an der Universität Tübingen; jeweils einen Viertel Quadtratmeter Buchenwald-, Wiesen- und Ackerboden hatten die Wissenschaftler dafür mitgebracht. „Am lautesten sind die Laufgeräusche, wenn die Käfer über Laub gehen – ganz leise wird es, wenn sie über nackte Erde laufen“, fasst Siemers die Ergebnisse zusammen. Und: Mit zunehmendem Lauftempo nimmt die Lautstärke zu.
Da es nachts in den hiesigen Breiten oft feucht ist, haben die Forscher den jeweiligen Untergrund mit einem Pflanzensprüher befeuchtet und ihre Versuche wiederholt. Interessanterweise nimmt danach auf allen Substraten die Lautstärke der Laufgeräusche um rund die Hälfte ab. Denn: Das Laub wird weich und knistert nicht mehr, Bodenpartikel kleben zusammen und werden von den Insektenbeinen nicht mehr in Bewegung gesetzt, und auch auf nassem Gras laufen die Insekten leiser.
Erschwerte Bedingungen in den Tropen
In den Tropen sieht die Situation etwas anders aus: Hier ist der nächtliche Geräuschpegel deutlich höher als bei uns – vor allem Grillen oder Zikaden machen viel Lärm, der den nächtlichen Jägern die Beutesuche erschwert. Doch auch in Madagaskar – dort haben die Forscher ihre Versuche auf Blätterstreu, Rinde und Sand wiederholt – sind die Insekten auf Laub mit Abstand am lautesten – nur die Reichweite der Geräusche nimmt im Vergleich zu den gemäßigten Breiten ab: „Durch die Hintergrundgeräusche können die Jäger die raschelnde Beute dort viel weniger weit wahrnehmen als in den gemäßigten Breiten“, erklärt der Verhaltensökologe.
Lautstärke verrät Insektengröße
Auf die Lautstärke der Laufgeräusche nimmt übrigens auch die Größe eines Insekts Einfluss: Je größer das Insekt, desto lauter sind die Laufgeräusche – auch das ein Ergebnis aus den Untersuchungen in Madagaskar. Dabei nimmt die Lautstärke bei größeren Insekten auf Laub stärker zu als auf Sand; geringfügig größere Insekten sind also auf Laub überproportional lauter.
Nach Berechnungen der Max-Planck-Forscher kann ein Käfer, der über trockene Blätter krabbelt, trotz der Abschwächung der Geräusche mit zunehmender Entfernung noch acht Mal so weit gehört werden wie einer, der über trockenen Boden läuft. Und wenn die Fledermaus den Untergrund kennt, auf dem das gehörte Insekt läuft, kann sie sogar wahrscheinlich seine Größe abschätzen. „Das ist eine wichtige Information, um zu entscheiden, ob die Jagd nach dem Snack einen Versuch wert ist oder nicht“, sagt Siemers.
(MPG, 26.08.2008 – NPO)