Gruseliger Jäger: Eine auch in Europa vorkommende Kugelspinne fängt und tötet selbst Fledermäuse und andere Wirbeltiere. Ertappt wurde sie dabei jetzt in Großbritannien – es ist der weltweit erste Nachweis für die Fledermausjagd bei dieser Spinnengruppe. Obwohl die Kugelspinne nur rund einen Zentimeter klein ist, ist ihr Nervengift potent genug, um selbst zehnfach größere Tiere als sie selbst zu lähmen. Die Opfer werden dann eingesponnen und ausgesaugt.
Spinnen sind effiziente Jäger und perfekt an das Töten und Aussaugen ihrer Opfer angepasst. Während bei den meisten Arten vor allem Insekten und andere Arthropoden auf dem Speiseplan stehen, schrecken einige Spinnen auch vor Angriffen auf Wirbeltiere von der mehrfachen Größe ihrer selbst nicht zurück: Sie töten Fische, Frösche, Schlangen, Eidechsen und sogar kleinere Säugetiere. Insgesamt sind 27 Spinnenfamilien für die Jagd auf Wirbeltiere bekannt, darunter Jagdspinnen, Wanderspinnen und auch Schwarze Witwen.
Fledermaus im Spinnennetz
Dass es sogar in Europa achtbeinige Wirbeltierjäger gibt, enthüllen nun mehrere Fälle aus Großbritannien und Irland. Biologen um John Dunbar von der National University of Ireland in Galway haben dabei Kugelspinnen der Art Steatoda nobilis – auch als Edle Kugelspinne oder Falsche Witwe bezeichnet – auf frischer Tat ertappt. Diese ursprünglich von den Kanaren stammende invasive Spinnenart hat sich über die gesamte Welt ausgebreitet und kommt auch in Europa vor.
Den ersten Fall beobachtete Koautor Ben Waddams auf dem Dachboden seines Hauses im englischen Shrophire. Dort hatte sich schon länger eine kleine Kolonie von Zwergfledermäusen (Pipistrellus pipistrellus) angesiedelt. Als der Biologe jedoch an einem Morgen im Juli 2021 den Dachboden betrat, sah er ein totes Fledermaus-Jungtier, das komplett in das Netz einer Edlen Kugelspinne eingewoben war. „Das Tier muss über Nacht gefangen worden sein“, so Waddams.
Gelähmt und ausgesaugt
Doch hatte die Spinne das Tier auch selbst getötet? Immerhin sind diese Kugelspinnen nur rund einen Zentimeter groß und damit erheblich kleiner als ein solcher Kleinsäuger. „Anzeichen für eine Manipulation und eine verfärbte Stelle am Hinterleib der Fledermaus sprechen dafür, dass die Spinne ihr Opfer gelähmt hat und es dann während der Nacht allmählich aussaugte“, erklären die Forscher. Am Morgen war die tote Jungfledermaus dadurch bereits sichtlich verschrumpelt.
Waddams beobachtete zudem noch einen zweiten Fall – schon einen Tag später. Als er erneut den Dachboden betrat, hing statt der toten Jungfledermaus eine ausgewachsene Fledermaus im Netz der Spinne. „Das Tier war noch am Leben und konnte befreit werden“, berichtet der Biologe. In beiden Fällen sprechen die Umstände jedoch klar dafür, dass die Fledermäuse ins Netz der Kugelspinne geraten waren und dass zumindest das Jungtier von ihr getötet wurde.
Effektive Jäger dank schnellwirkendem Nervengift
Nach Angaben der Forscher ist dies das erste Mal weltweit, dass eine Kugelspinne bei der Jagd auf Fledermäuse ertappt worden ist. Es ist zudem der erste Nachweis für das Fressen eines Säugetiers durch eine Falsche Witwe. In Irland ist diese Spinnenart jedoch auch schon dabei beobachtet worden, dass sie Eidechsen fängt und frisst, wie Dunbar und seine Kollegen berichten.
Möglich ist das Erlegen der sehr viel größeren Beute, weil die Spinne ein schnell wirkendes Nervengift produziert, das dem der echten Schwarzen Witwe ähnelt. Zwar ist das Toxin der Edlen Kugelspinne nicht stark genug, um einen Menschen zu töten oder schwer erkranken zu lassen – der Biss schmerzt ähnlich wie ein Wespenstich. Kleinere Wirbeltiere jedoch werden von dem Gift gelähmt.
Folgen für die heimische Tierwelt
„In exotischeren Regionen der Welt haben Wissenschaftler schon länger beobachtet, dass Spinnen auch kleine Wirbeltiere fressen, aber wir beginnen erst zu begreifen, wie häufig dies tatsächlich vorkommt“, sagt Dunbar. „Jetzt beobachten wir diese Fälle sogar vor unserer eigenen Haustür.“ Schon länger ist die Kugelspinne Steatoda nobilis wegen ihrer Verdrängung heimischer Spinnenarten als invasive Art gefürchtet.
„Diese Studie präsentiert nun ein weiteres Beispiel für die Auswirkungen, die die Edle Kugelspinne auf heimische Spezies hat“, so Dunbar. „Sie ist nicht nur konkurrenzfähiger als unsere Spinnenarten, sondern wirkt sich auch auf potenzielle Beutetiere aus.“ Dunbars Kollege Michel Dugon ergänzt: „Wir haben schon eine Menge über diese Spinnenart gelernt, aber wir sind doch immer wieder überrascht, wie gut sie sich an neue Umgebungen anpasst und das Beste aus den vorhandenen Ressourcen macht.“
Die Forscher vermuten, dass es mit der zunehmenden Ausbreitung von Steatoda nobilis auch weitere Vorkommnisse von Wirbeltieren als Beute dieser Spinne geben wird. (Ecosphere, 2022; doi: 10.1002/ecs2.3959)
Quelle: National University of Ireland Galway