Links- oder Rechtshändigkeit ist angeboren, so viel steht fest. Auch, wo im Gehirn sich der Ursprung für diesen Unterschied manifestiert, schien bisher klar. Doch jetzt scheint eine neue Studie an Schimpansen die alten Annahmen in Frage zu stellen: Denn bei den Affen – immerhin einer unserer nächsten Verwandten – sitzt die Händigkeit in einer ganz anderen Region des Gehirns.
Wissenschaftler des Yerkes Primatenforschungszentrums der amerikanischen Emory Universität haben herausgefunden, dass nicht das Sprachzentrum, sondern die so genannt „KNOB“-Region des Gehirns, ein Bereich, der die Handbewegungen kontrolliert, auch die Händigkeit bestimmt.
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Bill Hopkins, Psychobiologe und Leiter der Studie berichtet im Journal „Behavioral Neuroscience“: „Die dominante wissenschaftliche Sicht hat die bevorzugte Händigkeit beim Menschen mit der Gehirnregion verbunden, die die Sprache kontrolliert. Nachdem wir unterschiedliche Händigkeit auch bei Schimpansen beobachtet haben, die keine vergleichbaren Sprachfähigkeiten haben, schlossen wir darauf, dass es eine andere Ursache für Händigkeit geben muss. Weil die Hirnstrukturen von Mensch und Schimpanse so ähnlich sind, wollte wir bestimmen, ob auch menschliche Händigkeit möglicherweise ihren Urspürung in einer anderen Gehirnregion hat als dem Sprachzentrum.“
Hopkins und seine Kollegen führten eine Serie von Versuchen mit Schimpansen durch, bei denen diese verschiedene motorische Aufgaben lösen mussten und ihre Händigkeit dabei klar zu Tage trat. Gleichzeitig zeichneten die Forscher die Gehirnaktivität der Tiere mittels der Magnetresonanztomographie auf. Dabei entdeckten sie Asymmetrien im KNOB-Areal des Gehirns und in dem Gebiet, das dem menschlichen Sprachzentrum homolog ist. Eine detailiertere Analyse zeigte, dass die Asymmetrien in der KNOB-Region mit der Händigkeit der Tiere korrespondierte, die Unterschiede im Sprachzentrum jedoch nicht.
Hirn-Asymmetrie keine menschliche Domäne mehr
In einer weiteren Studie untermauert Hopkins’ Team seine Funde mit einer weiteren Bestätigung, dass die Gehirnstrukturen der Schimpansen in der Tat denen des Menschen sehr ähnlich sind. Denn wie sich in den Gehirnscans zeigte, weisen auch die Affen deutliche Anzeichen für eine „Arbeitsteilung“ der beiden Gehirnhälften auf – eine Asymmetrie, die bisher als einzigartig für den Menschen galt. „Jahrelang glaubten Forscher, dass die Asymmetrie Teil dessen ist, was das menschliche Gehirn von dem der Schimpansen unterschiedet, doch unsere Ergebnisse widerlegen diese Theorie“, erklärt Hopkins.
Um die Unterschiede zwischen dem menschlichen Gehirn und dem anderer Tierarten weiter aufzuschlüsseln, führen die Wissenschaftler am Yerkes Forschungszentrum weitere Studien durch, in denen sie unter anderem die Unterschiede in der Genaktivität und der Biochemie untersuchen, die sich im Laufe der Evolution ausgebildet haben.
(Emory University Health Sciences Center, 06.12.2004 – NPO)