Wissenschaftler vom Deutschen Primatenzentrum und der Universität Göttingen haben auf Madagaskar zwei neue Affenarten entdeckt. Sie gehören zu den so genannten Riesenmausmakis und den Mausmakis. Zur Identifizierung der neuen Primaten kombinierten die Forscher morphologische, verhaltenbiologische und genetische Daten.
Die Gattung der Riesenmausmakis enthielt bislang nur eine Art, Coquerel’s Riesenmausmaki (Mirza coquereli), die in zwei getrennten Populationen vorkommt. Bei Freilanduntersuchungen im Westen und im Nordwesten Madagaskars stießen Professor Peter Kappeler und seinen madagassischen Mitarbeitern auf erste Hinweise, dass erkennbare Unterschiede im Aussehen und Verhalten zwischen beiden Populationen eine Unterscheidung auf Artebene rechtfertigen. Genetische Vergleichsuntersuchungen von Christian Roos erbrachten den endgültigen Nachweis und bestätigten den Artstatus.
Nur 300 Gramm schwer
Wie die Wissenschaftler im Primate Report berichten, ist die neue Art aus Nord-Madagaskar knapp 300 Gramm schwer, besitzt einen langen buschigen Schwanz, relativ kleine Ohren und vergleichsweise große Hoden, was auf ein promiskes Paarungssystem hinweist. Die genetischen Studien ergaben, dass die beiden Arten seit etwa zwei Millionen Jahren geographisch voneinander getrennt sind.
Die neue Riesenmausmaki-Art trägt den Namen Mirza zaza. Zaza ist das madagassische Wort für „Kinder“. Ausschlaggegend für diese Benennung war die Tatsache, dass die neue Art kleiner als die bisher bekannte Art ist und somit auf deutsch als der Kleine Riesenmausmaki bezeichnet werden kann. Zudem wird die Art damit der derzeitigen Generation madagassischer Kinder gewidmet, in der Hoffnung, dass sie ihre Umwelt schätzen und sich für deren Erhalt einsetzen.
Riesenmausmakis sind in Gefangenschaft relativ selten, wobei die größte Population im Duke University Primate Center (DUPC), USA gehalten wird. Genetische Studien haben ergeben, dass die dort gehaltenen Individuen der neuen Art angehören, und damit das DUPC die weltweit einzige Einrichtung ist, die diese Art beherbergt.
„Guter Mann“ im Regenwald
Die Gattung der Mausmakis umfasst derzeit acht Arten, wovon sechs erst in den letzten Jahren neu beschrieben wurden. Da die bisherigen Untersuchungen sich nur auf die Westküste Madagaskars beschränkten, war zu vermuten, dass die Regenwäldern Ostmadagaskars eine ähnliche hohe Artenvielfalt beherbergen.
Genetische Analysen zeigten, dass sich Mausmakis aus dem östlichen Regenwald der Insel vor über zwei Millionen Jahren von anderen Mausmaki-Populationen abspalteten und ließen den Schluss zu, dass es sich um eine eigenständige Art handelt. Anschließende morphologische Untersuchungen ergaben, dass die neue Form in ihrer Kopf-Rumpflänge mit der kleinsten Primatenart (Microcebus berthae) vergleichbar ist, jedoch deutlich schwerer ist.
Der Artname der neuen Mausmaki-Art ist Microcebus lehilahytsara, was auf deutsch „guter Mann“, auf englisch „good man“ bedeutet. Diese Art ist damit zu Ehren von Steven M. Goodman vom Field Museum Chicago und WWF Madagaskar benannt, der durch seine Arbeit seit Jahren die wichtigsten Beiträge zum Verständnis der Artenvielfalt auf Madagaskar liefert und der sich unermüdlich für den Erhalt der Flora und Fauna Madagaskars einsetzt.
Die Individuen, mit deren Kotproben die Untersuchungen erst ermöglicht wurden, werden im Zoo Zürich gehalten. Dort leben neun Tiere, die erst im März 2005 von Robert Zingg und Samuel Führer in Andasibe gefangen und in die Schweiz importiert wurden.
65 Primatenarten auf Madagaskar
Mit nunmehr 65 Arten besitzt Madagaskar weltweit die höchste Anzahl verschiedener Primatenarten. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, sind alle diese Arten, die Lemuren, ausschließlich auf Madagaskar und einige der umliegenden Inseln beschränkt. Aufgrund dieser enormen Vielfalt auf engem Raum genießt Madagaskar weltweit die höchste Priorität bei internationalen Schutzorganisationen.
Die neuen Arten werden der Öffentlichkeit in einem Vortrag beim 1. Kongress der Europäischen Föderation für Primatologie am 10. August um 15:00h in Göttingen vorgestellt.
(idw – Deutsches Primatenzentrum, 10.08.2005 – DLO)