Mäuse legen offenbar Wert darauf, mit ihrem Partner die gleiche Sprache zu sprechen: Sie paaren sich bevorzugt mit den Artgenossen, deren Ultraschalllaute denen ihres eigenen Vaters gleichen. Das zeigt ein Experiment deutscher Forscher. Wie sie im Fachmagazin „Molecular Ecology“ berichten, trägt diese Vorliebe bei der Partnerwahl wahrscheinlich auch dazu bei, im Laufe der Zeit aus zwei getrennten Populationen neue Arten entstehen zu lassen.
Neue Arten entstehen meist dann, wenn Populationen einer Spezies für längere Zeit durch äußere Einflüsse wie Gebirge oder Meeresarme voneinander getrennt werden. Die räumliche Isolation führt auf Dauer dazu, dass sich in den Teilpopulationen unterschiedliche Mutationen ansammeln und sich so genetische Unterschiede herausbilden. Die Tiere können sich nicht mehr erfolgreich miteinander fortpflanzen und es entstehen zwei neue Arten. Oft sorgen aber auch schon vor der endgültigen genetischen Barriere schon Unterschiede im Verhalten dafür, dass sich Tiere aus zwei getrennten Untergruppen nicht mehr miteinander paaren.
Um herauszufinden, welche Rolle die Partnerwahl bei diesen Artbildungsprozessen spielt, führten Diethard Tautz vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie und seine Kollegen eine Studie an Hausmäusen durch. „Um zu untersuchen, ob sich bereits in der Frühphase der Artbildung Unterschiede im Paarungsverhalten der Mäuse zeigen, haben wir wildlebende Hausmäuse in Südfrankreich und Westdeutschland gefangen. Beide Populationen sind seit etwa 3.000 Jahren räumlich voneinander getrennt, das entspricht etwa 18.000 Generationen“, sagt Tautz. Diese räumliche Isolation hat dazu geführt, dass sich französische und deutsche Mäuse genetisch unterscheiden lassen.
Playboy-Anwesen für Mäuse
Um die französischen und deutschen Mäusen bei der Fortpflanzung zu beobachten, bauten die Plöner Forscher den Tieren eine Art „Playboy-Anwesen“ für Mäuse. Dies bestand aus einer mehrere Quadratmeter großen Fläche, die mit hölzernen Wänden, Nestern aus Plastikzylindern und Plastikröhren räumlich strukturiert wurde. Zudem gab es eine Fluchtröhre mit mehreren Eingängen, die in ein benachbartes Käfigsystem führte. „Wir haben die Umgebung so konstruiert, dass alle Tiere freien Zugang zu allen Bereichen hatten, durch die zusätzlichen Strukturelemente aber auch Territorien ausbilden oder sich in Nester zurückziehen konnten“, erklärt Tautz. „Die Fluchtröhre ist ein Kontrollelement. Nutzen die Mäuse diese nur selten als Rückzugsgebiet – wie in unserem Experiment – dann herrscht im zentralen Raum keine Überbevölkerung.“
Die Mäuse unterschiedlicher Nationalität hatten nun genug Zeit und Platz, miteinander zu kopulieren und Nachkommen zu zeugen. Das Ergebnis war selbst für die Forscher erstaunlich: „Zu Beginn paarte sich eigentlich jeder mit jedem“, sagt Tautz. Bei den Nachkommen zeigten sich allerdings bestimmte Vorlieben bei der Partnerwahl. Die Mäuse mit deutsch-französischen Eltern paarten sich später bevorzugt mit Partnern, die die „Nationalität“ ihres Vaters hatten. „Hier gibt es offenbar eine väterliche Prägung, die Mischlinge dazu bewegt, sich für eine Seite zu entscheiden, eben die des Vaters“, vermutet der Biologe. „Diese Prägung muss aber erst erlernt werden, das heißt die Tiere müssen in Anwesenheit des Vaters aufwachsen.“ Bei der Elterngeneration sei dies nicht der Fall gewesen, was ihr eher wahlloses Paarungsverhalten erklären könnte.
Mäuse sprechen verschiedene Sprachen
„Wir wissen, dass Mäuse im Ultraschallbereich miteinander kommunizieren und dass diese Sprache gerade bei Männchen Individualität und Verwandtschaft ausdrücken kann. Wir vermuten, dass diese väterlichen Gesänge ähnlich wie beim Gezwitscher von Singvögeln eine erlernte und eine genetische Komponente haben“, so Tautz. Französische und deutsche Mäuse könnten also tatsächlich verschiedene Sprachen sprechen, die vom Vater teils gelernt, teils geerbt werden. Einzelne Mäuse paaren sich dann bevorzugt mit den Partnern, diedie gleiche Sprache sprechen.
Doch neben der „Sprach“-spezifischen Partnerwahl, beschleunigt offenbar noch ein weiterer Aspekt des Sexualverhaltens die Artbildung. So haben Mäuse zwar viele verschiedene Geschlechtspartner, die Forscher haben aber auch Partnertreue und Inzucht gefunden. Die Neigung zu Sex unter Verwandten fördert die Bildung genetisch einheitlicher Gruppen. Beides zusammen verstärkt den Artbildungsprozess. Diethard Tautz will nun herausfinden, ob tatsächlich die Gesänge der Mäuse bei der väterlichen Prägung entscheidend sind oder ob auch Geruchssignale eine Rolle spielen. Zudem sollen die für die Partnerwahl verantwortlichen Gene identifiziert werden.
(Max-Planck-Gesellschaft, 26.03.2013 – KBE)