Zum ersten Mal haben Wissenschaftler ein Tier direkt aus einer fertig ausdifferenzierten Körperzelle gezüchtet – ohne die Hilfe von embryonalen oder adulten Stammzellen. Wie die Forscher in der Zeitschrift „Nature Genetics“ berichten, zeigten ihre Versuche an Mäusen, dass erwachsene Zellen sogar ein besserer Ausgangspunkt für das Klonen sein könnten als adulte Stammzellen.
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Bisherige Versuche, bei denen geklonte Tiere direkt aus voll ausdifferenzierten Zellen gewonnen werden sollten, schlugen meist fehlt, da sich der resultierende Embryo nicht über das Stadium der Blastozyste, einem Zellhaufen von rund 100 bis 150 Zellen, hinaus entwickelte. Nur mithilfe eines zweiten Schritts, bei dem die Blastozyste mit einem weiteren Embryo verschmolzen wurde oder aber durch einen weiteren Kerntransfer unter Zuhilfenahme von embryonalen Stammzellen aus dieser Blastozyste, konnten geklonte Tiere überhaupt produziert werden. Unter anderem deshalb wurden weltweit Versuche durchgeführt, nicht Körperzellen, sondern adulte Stammzellen aus Ausgangsmaterial zu nutzen. Doch mit enttäuschenden Ergebnissen: Die Erfolgsraten lagen zwischen einem und fünf Prozent.
Erfolgsquote bei ausdifferenzierten Blutzellen höher
In ihrer aktuellen Studie verglichen Xiangzhong (Jerry) Yang von der Universität von Connecticut und Tao Cheng, von der Universität von Pittsburgh die Effektivität eines Typs von ausdifferenzierten weißen Blutzellen, den Granulozyten, mit denen von Blutstammzellen aus dem Knochenmark und Vorläuferzellen der Granulozyten.
Überraschenderweise entpuppten sich nicht etwa die Blutstammzellen als die besseren Spenderzellen für den Kerntransfer, sondern die Granulozyten. 35 bis 39 Prozent der aus ihnen resultierenden Embryonen entwickelten sich zum Blastozysten, aus den Vorläuferzellen waren es immerhin elf Prozent, die Blutstammzellen ergaben dagegen nur vier Prozent Blastozysten. Aus den Granulozyten entwickelten sich zwei lebende Mäusejunge, die allerdings wenige Stunden nach ihrer Geburt starben. Als Kontrolle führten die Wissenschaftler auch Kerntransfers mit embryonalen Stammzellen durch, bei diesen entwickelten sich 49 Prozent zu Blastozysten, 18 Junge wurden geboren.
Widerspruch zu gängiger Lehrmeinung
„Unsere Ergebnisse demonstrieren, dass es keinen offensichtlichen Vorteil im Einsatz von adulten Stammzellen oder Vorläuferzellen gegenüber voll ausdifferenzierten Zellen als Kernspender gibt“, erklärt Yang. „Im Gegenteil, wir haben festgestellt, dass geklonte Junge aus ausdifferenzierten somatischen Zellen erzeugt werden können, eine Erkenntnis, die der gängigen Meinung und den aktuellen Hypothesen widerspricht.
„Selbst wir waren überrascht festzustellen, dass ausdifferenzierte Zellen sogar effektiver für das Klonen waren, denn Granulozyten können sich nicht teilen“, ergänzt Cheng. „Wir haben unsere Experimente sechs Mal wiederholt, um ganz sicher zu sein. Jetzt können wir mit nahezu völliger Sicherheit sagen, dass auch eine voll ausdifferenzierte Zelle, wie ein Granulozyt, die genetische Kapazität behält, um alle Zelltypen entwickeln zu können, die für einen ganzen Organismus nötig sind.“
Während noch mehr Forschung nötig sein wird, um festzustellen, ob diese Ergebnisse mit Zellen des Blutes auch für andere Zelltypen Gültigkeit haben, sind die Forscher der Ansicht, dass ihre Ergebnisse in jedem Fall große Bedeutung für die regenerative Medizin haben könnten. Denn sie deuten darauf hin, dass das Potenzial von adulten Stammzellen in diesem Gebiet stärker beschränkt sein könnte als bisher angenommen.
(University of Pittsburgh Medical Center, 02.10.2006 – NPO)