Biologie

Mäuse singen individuell

Ultraschallgesang von Mäusemännchen zeigt einen persönlichen Stil

Hausmaus
Männliche Hausmäuse werben mit komplexen Ultraschallgesängen um ihre Partnerinnen. Wie sich jetzt zeigt, sind diese Gesänge sehr individuell. © Bettina Wernisch/ Vetmeduni Vienna

Verführerische Ständchen: Männliche Hausmäuse singen ihre Balzmelodien in einem persönlichen, von Tier zu Tier verschiedenen Stil, wie eine Studie belegt. Die Ultraschallsignale unterscheiden sich demnach von Mäuserich zu Mäuserich stark in ihrer Anzahl, Frequenz und Dauer, aber bleiben für jede Maus im Laufe ihres Lebens weitgehend gleich. Eine KI konnte sogar einzelne Mäusemännchen allein an ihren Gesängen erkennen.

Für uns unhörbar geben männliche Hausmäuse Ultraschallmelodien von sich, um ihre Partnerinnen anzulocken. Diese „Ständchen“ sind so komplex, dass sie sogar Vogelgesängen ähneln. Die Laute entstehen jedoch nicht mit den Stimmbändern, sondern durch einen fokussierten Luftstrahl – ähnlich dem Pfeifen eines Triebwerks. Zudem sind sie abhängig von der Fitness, dem emotionalen Zustand, den Verwandtschaften und der Herkunft der Mäuse.

Wie unterscheiden sich die Melodien?

Ein Forscherteam um Maria Adelaide Marconi von der Veterinärmedizinischen Universität Wien hat die Mäusegesänge nun genauer auf ihre unterschiedlichen Vokalisationen hin untersucht. Die Forscher wollten damit ergründen, ob und wie sich die Melodien von Individuum zu Individuum unterscheiden. Denn bisher nahm man an, dass Unterschiede in den Ultraschallauten vor allem den emotionalen Zustand der Einzelmaus widerspiegeln, es aber keinen persönlichen Gesangstil gibt.

Die Wissenschaftler zeichneten über drei Wochen hinweg die Laute von mehr als 20 männlichen Mäusen auf – jeweils bevor und nachdem sie den Nagern einen weiblichen Geruch als Reiz anboten. Sie erfassten dabei mithilfe eines Ultraschallmikrofons mehr als 24.000 Lautäußerungen und dokumentierten die Zahl der Vokalisationen, die Dauer und die Frequenz der Melodien. Die Signale klassifizierte das Forscherteam schließlich nach ihren akustischen Merkmalen in eine von 15 Kategorien.

Unveränderte Kompositionen

Es zeigte sich: Solange der verlockende Duft des Weibchens fehlte, blieben die Mäuseriche weitgehend stumm. Nahmen die Nager aber den Geruch einer potenziellen Partnerin wahr, begannen sie mit ihrem Balzgesang. Und dabei gab jedes Männchen eine individuelle Komposition von sich, die sich innerhalb der drei Wochen kaum veränderte. „Die Ultraschallvokalisationen der einzelnen Tiere zeigten im Laufe der Zeit eine überraschende individuelle Konstanz“, erklärt Marconi.

Während die Melodien jedes Männchens zeitlich kaum variierten, war dies von Maus zu Maus durchaus der Fall: „Zwischen den Männchen konnten wir sehr hohe individuelle Unterschiede in der Anzahl und Art der Ultraschallvokalisationen feststellen“, so Marconi. Die sich wiederholenden Gesangspassagen der einzelnen Nager unterschieden sich dabei sehr von den wiederkehrenden Phrasen ihrer Artgenossen.

Individuelle Melodien

Die individuellen Unterschiede ergaben sich dabei aus der unterschiedliche Dauer und der Frequenz der Melodien sowie der Anzahl der Laute, die von unter 100 bis zu über 600 Einzeltönen reichte. Und auch die Länge der stillen Intervalle zwischen den einzelnen Rufen waren je nach Nager individuell. Mithilfe eines Algorithmus für maschinelles Lernen konnten die Forscher deshalb auch ungefähr 90 Prozent der dreiwöchigen Aufzeichnungen den jeweiligen Mäusemännchen zuordnen.

Zusammengenommen belegen die Ergebnisse, dass die Ultraschallgesänge nicht nur die momentanen Emotionen der Nager widerspiegeln, sondern auch individuelle Signaturen enthalten, sagen die Forscher. Jeder Mäuserich hat demnach seinen persönlichen Gesangsstil, der sich von den Melodien der anderen Nager unterscheidet.

Mehr Einblick in die Funktionen des Mäusegesangs

Wie Marconi und ihr Team erklären, helfen diese Ergebnisse nun, die komplexen Vokalisationen von wilden Mäusen und ihre Funktionen besser zu verstehen. Fortführend untersuchen die Verhaltensbiologen nun, ob sich die individueller Signaturen der männlichen Nager über die Lebensspanne und in verschiedenen sozialen Kontexten doch noch verändern. Und auch, ob die Mäuse selbst ihre Artgenossen anhand ihrer Gesänge erkennen können, ist noch unklar. (Animal Behaviour, 2020, doi: 10.1016/j.anbehav.2020.09.006)

Quelle: Veterinärmedizinische Universität Wien

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