Männliche Hausmäuse singen, um Partnerinnen anzulocken. Leider kann das menschliche Ohr diese Melodien nicht hören – sie liegen im Ultraschallbereich. Neue Analysen des Mäusegesangs durch Wiener Forscher zeigen nun, dass die „Ständchen“ der Männchen komplex sind und Signale über Individualität und Verwandtschaft enthalten.
Schon seit einiger Zeit ist klar, dass Hausmäuse bei der Balz Ultraschall-Geräusche produzieren. Man nahm aber an, dass es sich dabei bloß um Quietschlaute handelt. Aktuelle spektrographische Analysen zeigen nun, dass diese Laute Merkmale von komplexen Gesängen besitzen. Bei verlangsamter Wiedergabe sind sie dem Vogelgesang auffällig ähnlich.
Dem Informationsgehalt der Ständchen auf der Spur
Frauke Hoffmann, Kerstin Musolf und Dustin Penn von der Veterinärmedizinischen Universität Wien wollten wissen, welche Art von Informationen diese Ständchen für die anspruchsvollen Ohren weiblicher Mäuse enthalten.
Frühere Analysen, bei denen die Forscher erstmals die Lieder wilder Mäuse untersuchten, bestätigten bereits, dass Mausmänner singen, wenn sie dem Duft eines Weibchens begegnen – und dass Weibchen von diesen Liedern angezogen werden. Darüber hinaus entdeckten die Wissenschaftler, dass weibliche Mäuse in der Lage sind, den Gesang von Geschwistern von jenem nicht verwandter Männchen zu unterscheiden. Und dies sogar, wenn sie ihre Brüder zuvor noch nie singen gehört hatten.
Akustische Fingerabdrücke
In ihren jüngsten Untersuchungen zeichnete das Forscherteam nun die Balzrufe von gefangenen wilden Hausmäusen erstmals auf und untersuchten diese Aufzeichnungen mit digitaler Audiosoftware auf Faktoren wie Dauer, Tonhöhe und Frequenz. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass diese Lieder einzelne Passagen enthalten, die wie Fingerabdrücke von einem Individuum zum anderen unterschiedlich sind.
Außerdem bestätigten sie, dass die Lieder von Geschwistern einander im Vergleich zu denen nicht verwandter Männchen sehr ähnlich sind. Dies könnte nach Ansicht der Biologen erklären, wie Weibchen nicht verwandte Männchen von Brüdern unterscheiden können. Dadurch vermeiden Mäuse offenbar Inzucht.
Gesang wie bei Singvögeln
Interessant ist, dass die Männchen mit den komplexesten Gesängen bei einigen Vogelarten bei der Balz am erfolgreichsten zu sein scheinen. Weitere Studien sind den Wissenschaftlern zufolge aber erforderlich, um festzustellen, ob die Komplexität der Lieder der Mausmännchen eine ähnliche Wirkung auf Mausweibchen hat, wie die „sexy Silben“ bei Vögeln.
Die Laute wilder Hausmäuse unterscheiden sich laut den neuen Ergebnissen signifikant von denen der Inzucht-Stämme von Labormäusen. Wilde männliche Mäuse produzieren nach Angaben der Forscher mehr Silben in hohen Frequenzbereichen als Labormäuse, was mit anderen Untersuchungsergebnissen über genetische Effekte auf Mauslautäußerungen übereinstimmt.
„Es scheint, dass Hausmäuse zu einem neuen Modellorganismus für das Studium von tierischem Gesang werden könnten“, sagt Dustin Penn, einer der Autoren der neuen Studie. „Wer hätte das gedacht?“ Die Ergebnisse der Forscher sind in den Fachzeitschriften „Physiology & Behavior“ und „Journal of Ethology“ erschienen.
Hörprobe des Mausgesangs
(Veterinärmedizinische Universität Wien, 27.01.2012 – DLO)