Gegen die Verseuchung: In atomaren Endlagern oder bei radioaktiv verseuchtem Wasser könnten künftig Bakterien bei der Dekontamination helfen. Denn Mikroben der Gattung Magnetospirillum können selektiv Uran und andere gefährliche Schwermetalle aus ihrer Umgebung aufnehmen, ohne dass sie daran sterben. Der Clou dabei: Weil diese Bakterien magnetische Körnchen in ihrem Inneren tragen, können sie mitsamt ihrer Giftfracht leicht aus Wasser dem Wasser entfernt werden – ein Magnet reicht.
Ob in atomaren Endlagern, in den Schächten und Stollen alter Uranbergwerke oder bei Unfällen in Atomkraftwerken: Wenn radioaktive Substanzen oder giftige Schwermetalle wie Blei, Chrom oder Cadmium in die Umwelt gelangen, droht eine Verseuchung von Gewässern, Grundwasser und Böden. Diese Kontamination ist mit gängigen chemischen oder physikalischen Mitteln oft schwer wieder zu beseitigen. Es gibt aber einige Bakterien, die organische Giftstoffe, Schwermetalle oder auch radioaktives Uran binden und so zur Reinigung von Böden und Wasser beitragen können.
Bakterien mit Magnetkristallen
Einen für die radioaktive Dekontamination besonders geeigneten Vertreter solcher Mikroben haben nun Forschende um Evelyn Krawczyk-Bärsch vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) identifiziert. Für ihre Studie haben sie sich eine Bakterienart vorgenommen, die schon länger durch eine Besonderheit auffällt: Die Mikroben der Gattung Magnetospirillum bilden in ihrem Zellinneren winzige, wie auf einer Perlschnur aufgereihte Magnetit-Kristalle. Diese sogenannten Magnetosomen helfen den Bakterien dabei, sich anhand des Erdmagnetfeldes in ihrem Lebensraum zu orientieren.
Das Interessante daran: Durch ihre winzigen Eisenoxid-Magneten im Zellinneren können diese magnetotaktischen Bakterien nicht nur selbst auf Magnetfelder reagieren, man kann sie auch mithilfe von Magneten leicht aus Lösungen entfernen – und mit ihnen die Substanzen, die diese Mikroben in sich aufgenommen haben. Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass Magnetospirillum-Arten bestimmte Metalle aufnehmen und in ihre Zellwand einbauen können.
Unklar war jedoch, ob Magnetospirillum auch radioaktive und hochgiftige Substanzen wie Uran binden kann. Das haben Krawczyk-Bärsch und ihr Team nun untersucht. Dafür kultivierten sie Magnetospirillum magneticum AMB-1 im Labor und setzten die Mikroben verschiedenen Konzentrationen von Uran(IV)-Oxid in wässriger Lösung aus – der unter anderem in Pechblende vorkommenden Form des Urans.
Schnelle und fast vollständige Aufnahme des Urans
Das Ergebnis: Die magnetotaktischen Bakterien überstanden nicht nur den Kontakt mit dem hochgiftigen und radioaktiven Uran – sie bauten es auch in ihre Zellwand ein. Solange die wässrige Lösung nicht zu sauer oder alkalisch wurde, nahmen die Bakterien das gelöste Uran schnell auf, ohne offenkundige Schäden davonzutragen. „Die Interaktion von Magnetospirillum magneticum mit Uran (IV) ist von einer schnellen, pH-abhängigen Bioassoziation geprägt, die in den ersten Stunden der Inkubation stattfinden“, berichten die Forschenden.
In dieser Zeit nahmen die Mikroben bis zu 95 Prozent des in der Lösung vorhandenen Urans in ihre Zellen auf und tolerierten dabei noch Konzentrationen von 0,1 Millimol Uran. Nähere Analysen zeigten, dass dabei die Zellwand von Magnetospirillum als Uranfänger fungiert: Sie besteht aus einer nur vier Nanometer dünnen Schicht eines aus Zuckern und Aminosäuren zusammengesetzten Makromoleküls, dem Peptidoglykan. Diese Moleküle binden mit hoher Affinität an das gelöste Uran und verhindern so, dass das giftige und radioaktive Schwermetall ins Zellinnere gelangt. „Diese Erkenntnis ist neu und war bei diesem Bakterientyp nicht zu erwarten“, berichtet Krawczyk-Bärsch.
Gut für die radioaktive Dekontamination geeignet
Nach Ansicht der Forschenden eignen sich diese magnetotaktischen Bakterien damit gut, um verseuchte Gewässer von radioaktivem Uran zu befreien. „Dies ist auch im großen Stil in Form einer Behandlung direkt in oberflächennahen Gewässern oder über das Abpumpen des Wassers aus Untertage-Bergwerken und dem Weiterleiten in Pilotkläranlagen vorstellbar“, erläutert Krawczyk-Bärsch. Damit könnten diese Mikroben eine günstige und effektive Alternative zu teuren, konventionellen chemischen Behandlungen sein.
Das Praktische dabei: Um die mit dem Uran beladenen Bakterien aus dem Wasser zu entfernen, muss die Lösung nur an Magneten vorbeigeleitet werden. Die Mikroben bleiben dann hängen, das gereinigte Wasser fließt ab. Positiv auch: Magnetotaktische Bakterien sind genügsam und in der Natur fast überall in wässriger Umgebung verbreitet, sie können in Süß- und Salzwasser überleben und benötigen nur wenige Nährstoffe. Das macht ihre Kultivierung einfach.
Auch für Plutonium einsetzbar?
Und noch ein weiteres Detail hat das Interesse der Forschenden an diesen Bakterien geweckt: Bei der Herstellung ihrer Magnetosomen können die Bakterien mithilfe ihrer Proteine zwei- und dreiwertiges Eisen stabilisieren. Das könnte bedeuten, dass sie auch andere Metalle verschiedener Oxidationsstufen aufnehmen und stabil binden können – darunter neben Uran auch das hochradioaktive Plutonium. Denn dieses hat chemische Ähnlichkeiten mit Eisen und könnte daher
ähnliche Aufnahmewege in die Zelle nutzen.
Das könnte bedeuten, dass diese Mikroben auch dabei helfen könnten, Plutonium aus Abwässern zu entfernen – beispielsweise bei Lecks in Endlagern für hochradioaktiven Atommüll. Krawczyk-Bärsch und ihre Kollegen wollen dies nun als nächstes untersuchen. (Journal of Hazardous Materials, 2022; doi: 10.1016/j.jhazmat.2022.129376)
Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf