Meeresforschung

Marianengraben: Mysteriöse Laute aufgeklärt

Neue Soundaufnahmen klären Urheber der seltsam "mechanischen" Unterwasserlaute

Unterwasser-Laut
Seit 2014 rätseln Forscher über mysteriöse Laute aus dem Marianengraben. Jetzt ist die Ursache identifiziert. © loops7/katatonia82/ Getty images

Wie von Aliens erzeugt: Im Marianengraben wurden mehrfach seltsam metallisch klingende Laute aufgezeichnet – doch woher kommen sie? Jetzt haben Meeresbiologen die Quelle dieser „Biotwangs“ gefunden: Die mysteriösen Laute stammen offenbar von einer lokalen Population von Brydewalen, die diese neuartigen Laute als „regionalen Dialekt“ entwickelt haben, wie das Team berichtet. Warum ausgerechnet diese Walgruppe so ungewöhnliche Laute erzeugt, ist jedoch unbekannt.

Im Jahr 2014 zeichnete ein autonomer Unterwassergleiter seltsame Laute aus dem Marianengraben und dem Meer rund um die Marianen-Inseln auf: Dieses neuartige, nie zuvor aufgezeichnete Geräusch umfasste einen komplexen, rund 3,5 Sekunden langen Laut aus fünf verschiedenen Komponenten. Die fünfteilige Lautfolge begann mit tiefen, grummelnden Tönen um 30 Hertz und endete mit einem hohen metallischen Geräusch von rund 8.000 Hertz.

So klingen die seltsamen Laute:

Doch woher kam dieses „Biotwang“ getaufte Geräusch? Vor allem die letzte, eher nach Science-Fiction als nach einem natürlichen Geräusch klingende Komponente gab Meeresbiologen Rätsel auf. Zwar ähnelte der tiefe, grummelnde Teil dieses Biotwangs den Rufen einiger Bartenwale. Doch die hohen, metallischen Töne waren von keiner Walart bekannt.

Lausch-Aktion im Ozean

Um das Geheimnis dieser mysteriösen Laute zu lüften, haben nun Ann Allen vom NOAA Pacific Islands Fisheries Science Center in Honolulu und ihre Kollegen einen großangelegten „Lauschangriff“ durchgeführt. Im Jahr 2018 und 2021 setzten sie dafür während Schiffsexpeditionen mit Unterwassermikrophonen ausgestattete Driftbojen rund um die Marianen aus und kartierten parallel dazu die in der Gegend vorkommenden Wale. Zusätzlich installierten sie 13 am Meeresgrund verankerte Langzeit-Lauschbojen auch an anderen Stellen des tropischen Pazifik.

Für die Auswertung der Langzeit-Horchdaten nutzte das Team neben den eigenen Analysen und Beobachtungen auch eine künstliche Intelligenz: Sie trainierten das neuronale Netzwerk zunächst darauf, die charakteristische Lautfolge der Biotwangs zu erkennen. Dann setzten die KI dafür ein, diese Laute in den Aufzeichnungen aus den verschiedenen Meeresgebieten zu identifizieren.

Biotwangs und Brydewale
Karte der Marianen-inseln mit Driftwegen der Hochbojen, Biotwang-Aufzeichnungen (rote Diamanten) sowie den zehn Sichtungen von Brydewalen (gelbe Sterne). © Allen et al./ Frontiers in Marine Science, CC-by 4.0

Brydewale als Urheber?

Und tatsächlich: Schon bei der Schiffsexpedition im Jahr 2018 entdeckten Allen und ihr Team eine auffallende Koinzidenz: In 13 Fällen konnten sie große Wale in unmittelbarer Nähe sehen, als die Driftboje Biotwangs aufzeichnete. Und in neun dieser Fälle identifizierten die Meeresbiologen diese Wale als Brydewale (Balaenoptera edeni). Diese bis zu 14 Meter lange Bartenwal-Spezies kommt im gesamten äquatorialen und südlichen Pazifik vor und auch rund um den Marianengraben.

Nach Ansicht des Forschungsteams ist dies kein Zufall: „Die neun bestätigten Sichtungen von Brydewalen in einem direkten zeitlichen Zusammenhang mit den Bojenaufzeichnungen demonstrieren, dass die Biotwang-Klaute von diesen Walen stammen“, schreiben Allen und ihre Kollegen. Sie vermuten, dass die Meeressäuger diese Laute immer dann ausstoßen, wenn sie sich innerhalb der Gruppe verständigen.

Warum nur in diesem Meeresgebiet?

Doch wenn Brydewale wirklich die Urheber der mysteriösen Biotwangs sind, warum wurden diese Laute noch nie zuvor und auch nirgendwo anders gehört als im Seegebiet rund um die Marianen? „Brydewale unterscheiden sich von anderen Bartenwalen darin, dass sie keine langen saisonalen Wanderungen unternehmen“, erklären die Meeresbiologen. Die Brydewale bleiben meist innerhalb einer Meeresregion und bilden lokale Populationen.

Brydewal vor der thailändischen Inselgruppe Koh Phi Phi
Brydewale werden bis zu 14 Meter lang und bilden regionale Populationen.© Morningdew/ CC BY-SA 3.0

Das Entscheidende jedoch: Die verschiedenen Populationen der Brydewale entwickeln jeweils eigene „Dialekte“. Neben den für alle Wale dieser Art typischen Rufen äußern sie spezifische, rein regionale Laute, wie frühere Studien ergeben haben. „Aber über die Vokalisationen der Brydewale des westlichen und zentralen Nordpazifik ist bisher fast nichts bekannt“, berichten die Forschenden. Bisher gab es nur drei Tonaufnahmen aus diesem Gebiet, zwei aus Japan und einen aus Hawaii. Aber keine von diesen enthielt die hohe, metallisch klingende Schlusskomponente der Biotwangs.

Biotwangs als lokaler „Dialekt“

Deshalb vermuten die Meeresbiologen, dass die Biotwangs von einer spezifischen, rund um die Marianen vorkommenden Brydewal-Population stammen. Aus der zeitlichen Verteilung der Laute schließen sie, dass diese Wale saisonal zwischen verschiedenen Gebieten im zentralen Nordpazifik wandern, ihren Verbreitungsschwerpunkt aber im Meeresgebiet rund um die Marianeninseln haben.

Die KI-Analysen der im Pazifikraum verankerten Langzeit-Lauschbojen bestätigten dies: Sie zeichneten die meisten Biotwangs im Mariana-Archipel und östlich von Wake Island auf. „Aber vereinzelt traten sie auch in der Nähe der Howard-Insel am Äquator und im Nordwesten von Hawaii auf“, berichten Allen und ihr Team. Das passe zu einer jahreszeitlichen Wanderung dieser Brydewal-Population zwischen den niedrigen und gemäßigten Breiten dieser Meeresregion. (Frontiers in Marine Science, 2024; doi: 10.3389/fmars.2024.1394695)

Quelle: Frontiers in Marine Science

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