Paläontologie

Massenaussterben: Neues Leben in Rekordzeit

Fossilfunde widersprechen einer langsamen Erholung nach schlimmstem Aussterben der Erdgeschichte

Fischfossil
Dieses Fischfossil stammt aus der Zeit direkt nach dem schlimmsten Massenaussterben der Erdgeschichte vor rund 252 Millionen Jahren. Es zeugt von der erstaunlich schnellen Erholung der Lebenswelt. © Xu Dai

Erholung nach dem großen Sterben: Nach dem größten Massenaussterben der Erdgeschichte vor rund 252 Millionen Jahren entstanden in erstaunlich kurzer Zeit neue Ökosysteme. Selbst große Meeresraubtiere waren überraschend früh wieder präsent. Das belegen Fossilien von Fischen, Pflanzen und weiteren Meeresbewohnern aus Südchina, die 250,8 Millionen Jahren alt sind. Sie stammen damit aus der Zeit nur rund eine Million Jahre nach dem großen Sterben, wie das Team in „Nature“ berichtet.

Vor rund 252 Millionen Jahren, am Ende des Perms, sorgte eine Kaskade verheerender Ereignisse für das schlimmste Massenaussterben der Erdgeschichte: Vulkanausbrüche setzten große Mengen CO2 frei, was das Klima aufheizte und die Meere versauern ließ. In der Folge starben innerhalb weniger tausend Jahre mehr als 80 Prozent aller Meeresbewohner und rund drei Viertel der Landtiere aus.

Guiyang-Formation
Diese unscheinbaren Gesteinsschichten enthalten die frühesten fossilen Zeugnisse aus der Zeit nach dem Perm-Massenaussterben.© Xu Dai

Wie schnell kehrte das Leben zurück?

Nach dem „großen Sterben“ begann die Trias. In diesem Zeitalter entwickelten sich nicht nur die Dinosaurier, sondern auch die ersten modernen marinen Ökosysteme. Bislang ging die Wissenschaft jedoch davon aus, dass sich das neue Leben nach dem Perm-Massensterben nur langsam entwickelte und mehrere Millionen Jahre lang sehr einfache Organismen vorherrschten.

„Man ging davon aus, dass sich komplexe marine Ökosysteme erst rund zehn Millionen Jahre nach dem Massensterben wieder vollständig etabliert haben“, erklären Xu Dai von der chinesischen Universität für Geowissenschaften in Wuhan und seine Kollegen. Fossilbelege aus der ersten Zeit nach dem großen Sterben waren rar, sodass unklar blieb, wie sich das Leben nach der Katastrophe wieder regeneriert und entwickelt hat.

Fundstätte schließt Fossilienlücke

Diese Informationslücke haben Dai und sein Team nun teilweise geschlossen. In der südchinesischen Provinz Guizhou nahe der Stadt Guiyang entdeckten sie die bisher älteste Fossillagerstätte des Erdmittelalters. Den Forschenden zufolge lebten die in dieser Gesteinsformation konservierten Organismen vor 250,8 Millionen Jahren – also nur rund eine Million Jahre nach dem Massenaussterben.

„Die Fossilien aus der Guizhou-Region zeigen ein Meeresökosystem mit verschiedenen Arten, die eine komplexe Nahrungskette bilden, zu der Pflanzen, Knochenfische, Rochen, Krebse, Hummer, Garnelen und Weichtiere gehören“, berichtet Co-Autorin Morgann Perrot von der Universität von Quebec in Montreal. „Insgesamt entdeckte unser Team zwölf Organismenklassen und fand sogar versteinerte Fäkalien, die Aufschluss über die Ernährung dieser urzeitlichen Tiere geben.“

Quastenflosser-Fossil
Fossil eines Quastenflossers aus Guiyang – es belegt, dass damals selbst Top-Prädatoren des Urzeitmeeres er präsent waren.© Xu Dai

Alle Stufen der Nahrungskette vertreten

Unter den so kurz nach dem Massensterben lebenden Tieren waren schon wieder alle Stufen der Nahrungskette vertreten, wie die Funde verrieten: „Das Ensemble ist trophisch komplex, es umfasst Vertreter von Primärkonsumenten wie den Foraminiferen bis zu großen Raubtieren wie den Quastenflossern“, schreiben Dai und sein Team. „Die Guiyang-Lebenswelt repräsentiert alle Stufen der Nahrungspyramide.“

Das allerdings wirft Fragen auf. Denn gängigen Annahmen nach sollten sich die höheren Ebenen der Nahrungskette nach einer biologischen Krise langsamer erholen als es in Guiyang zu beobachten war. Nach Ansicht der Forschenden könnte es daher sein, dass einige dieser Top-Prädatoren das Massensterben vielleicht doch überlebt haben. Alternativ wäre aber auch denkbar, dass sich diese Tiergruppen schneller wieder diversifizierten als es gängige Modelle vorsehen – möglicherweise angetrieben durch bestimmte biologische Mechanismen wie eine erhöhte Konkurrenz.

Weniger heiß als gedacht

Ungewöhnlich auch: Die Meerestemperaturen waren zur Zeit des Guiyang-Ökosystems weiterhin hoch und galten eigentlich als lebensfeindlich – zumindest in den urzeitlichen Tropen. Um der Hitze auszuweichen, sollen Wirbeltiere und Fische gängiger Vorstellung nach in Richtung der Pole ausgewichen sein. „Das müsste zu einem fast völligen Fehlen der Fischfauna in den damaligen Tropen geführt haben“, erklären die Forschenden.

Doch die Funde in Guiyang widerlegen dies nun. Obwohl dieses Gebiet damals in den Tropen lag, lebten dort zahlreiche Fischarten. Nach Ansicht der Wissenschaftler spricht dies dafür, dass die Meerestemperaturen am Anfang der Trias nicht durchgängig hoch waren. Stattdessen muss es einige kühlere Phasen gegeben haben, die dieses Meeresgebiet für Fische bewohnbar machte.

Bisherige Modelle unzutreffend

Die neuen Fossilfunde liefern damit wichtige Einblicke in die Nachwehen von Massenaussterben – und widerlegen einige frühere Annahmen zum Ablauf der biologischen Regeneration. „Obwohl die Guiyang-Biota nur unvollständig ausgewertet sind, zeigen sie, dass das bisherige Modell der langsamen und schrittweisen Erholung nach dem Massenaussterben nicht zutreffend ist“, schreiben Dai und sein Team.

Perrot ergänzt: „Die neuen Erkenntnisse haben Auswirkungen auf unser Verständnis davon, wie schnell das Leben auf extreme Krisen reagieren kann. Außerdem müssen wir die Bedingungen in den Ozeanen der frühen Trias neu bewerten.“ (Science, 2023, doi: 10.1126/science.adf1622)

Quelle: Science, McGill University

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