Kaum ein Sinnesreiz weckt so unmittelbare Gefühle und Erinnerungen wie ein Geruch. Doch wie der Geruchssinn funktioniert, war lange Zeit rätselhaft. Wie und warum die menschliche Nase mehr als 10.000 unterschiedliche Duftnoten wahrnimmt, war ungeklärt. Bis sich die amerikanischen Wissenschaftler Richard Axel und Linda Buck vor mittlerweile mehr als 13 Jahren dieses Rätsels annahmen und mithilfe einer Reihe von wegweisenden Studien entdeckten, dass eine große, aus mehreren tausend verschiedenen Genen bestehende Genfamilie für die Entstehung der verschiedenen Geruchsrezeptoren verantwortlich sind.
Jetzt haben beide Wissenschaftler für ihre „Entdeckung der Geruchsrezeptoren und der Organisation des olfaktorischen Systems“ gemeinsam den Nobelpreis für Physiologie und Medizin zugesprochen bekommen. Axel arbeitet heute an der Columbia Universität in New York, seine Kollegin Buck am Howard Hughes Medical Institute in Seattle. Beide veröffentlichten ihre entscheidenden Ergebnisse 1991 in einem gemeinsamen Paper, forschen seitdem aber unabhängig voneinander – aber nach wie vor im Reich der „Supernasen“.
Der Geruchssinne ist der erste unserer Sinne, der mithilfe von molekularbiologischen Methoden entschlüsselt worden ist. Axel und Buck zeigten, dass erstaunliche drei Prozent unserer Gene – mehr als für jeden anderen Sinn – gebraucht werden, um die verschiedenen Riechrezeptoren auf unserer Nasenschleimhaut zu kodieren. Ihre Entdeckung, dass jede einzelne Rezeptorzelle nur ein einziges der Rezeptorgene exprimiert, kam für die Forscher, aber auch für die Wissenschaft, völlig unerwartet.
Alle Riechrezeptoren bestehen aus verwandten Proteinen, unterscheiden sich aber in kleinen Details. Eine Kette aus Aminosäuren, die in der Zellwand verankert ist und sie sieben Mal durchkreuzt, bildet das Grundgerüst eines Riechrezeptors. Diese Kette schafft eine spezifisch geformte „Tasche“, an die die Geruchssubstanz bindet. Wenn dies geschieht, ändert sich die Form des Rezeptorproteins und ein Signalprotein wird aktiviert, dass die Signalkette zum Gehirn in Gang setzt.
Die beiden Forscher registrierten die elektrischen Signale von einzelnen Riechzellen und enthüllten so, dass jede Zelle nicht nur auf eine einzige Geruchssubstanz reagiert, sondern auf mehrere verwandte Moleküle – wenn auch mit unterschiedlicher Stärke. Die meisten Gerüche bestehen aus eine Vielzahl von chemischen Verbindungen – und jede dieser Verbindungen kann mehrere Rezeptoren aktivieren. Auf diese Weise entsteht ein typisches „Riechmuster“ im Gehirn – vergleichbar einem komplexen Farbmuster in einer Patchworkdecke. Dieses Muster bildet die Basis für unsere Fähigkeit, Gerüche zu erkennen und auch nach vielen Jahren noch Düfte und die damit verknüpften Erinnerungen abrufen zu können.
(Karolinska Institutet, 05.10.2004 – NPO)