Schimpansen, Orang-Utans, Gorillas und Bonobos treffen durchdachtere Entscheidungen als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis sind jetzt Max-Planck-Wissenschaftler in einer neuen Studie in der Fachzeitschrift „PLoS ONE“ gelangt.
Wie die Forscher in Verhaltensexperimenten herausgefunden haben, wägen Menschenaffen detailliert ab, wenn sie zwischen einer gewinnträchtigen, aber riskanten Alternative wählen müssen oder einer, die zwar sicher ist, dafür aber weniger Gewinn verspricht. Schimpansen und Orang-Utans sind dabei offenbar noch risikofreudiger als Gorillas und Bonobos.
Wer eine Entscheidung trifft, muss die Folgen möglichst exakt abwägen: Lohnt es sich, die riskantere Variante zu wählen, die zwar mehr Gewinn verspricht, dafür aber auch die Gefahr birgt, leer auszugehen? Oder fährt man besser mit der sicheren Alternative – wenig Risiko, dafür aber auch weniger Gewinn?
Bananenstücke als Lockmittel
Ein Forscherteam um Daniel Haun von den Max-Planck-Instituten für Psycholinguistik in Nijmegen und für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, hat nun gezeigt, dass neben Homo sapiens auch alle vier Menschenaffenarten – Schimpanse, Orang-Utan, Gorilla und Bonobo – zu einer solchen Risikoabwägung in der Lage sind. „Die Tiere schätzen nicht nur ab, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, nichts zu bekommen, sondern berücksichtigen auch die Höhe der Belohnung im Erfolgsfall“, sagt Haun.
In einer Reihe von Versuchen hatten die Wissenschaftler ihren tierischen Probanden jeweils zwei unterschiedlich große Bananenstücke präsentiert und anschließend versteckt. Das kleinere legten sie zuverlässig immer an denselben Platz, während sie das größere unter einer von mehreren umgedrehten Schalen verbargen. Anschließend durften die Affen wählen. Deuteten sie auf ein Gefäß, unter dem sich nichts befand, hatten sie ihre Chance vertan.
Tiere schätzen Erfolgswahrscheinlichkeiten ab
Die Versuche ergaben, dass die Wahl davon abhängt, wie groß die Aussicht auf Erfolg ist: Je mehr mögliche Verstecke die Forscher ins Spiel brachten, desto häufiger gingen die Tiere auf Nummer sicher und gaben sich dafür mit dem kleineren Obststück zufrieden, dessen Platz sie kannten. Standen dagegen nur wenige Verstecke zur Auswahl, versuchten die Tiere eher, an den größeren Leckerbissen zu gelangen. „Die Tiere schätzen also die Erfolgswahrscheinlichkeiten ab“, so Haun.
Auch die Größe der beiden Obststücke spielte den Forschern zufolge eine Rolle. Je mehr sie sich unterschieden, desto häufiger versuchten die Probanden, das größere zu bekommen und nahmen dabei die Gefahr in Kauf, leer auszugehen. Beim maximalen Größenunterschied wählten sie in 100 Prozent der Fälle die riskante Alternative. Aber auch bei einem geringen Unterschied waren sie risikofreudig und entschieden sich in mindestens der Hälfte der Fälle für die unsichere Variante.
Schimpansen und Orang-Utans risikobereiter als Gorillas und Bonobos
In den Versuchen der Max-Planck-Forscher zeigten alle vier Menschenaffenarten ein ähnliches Entscheidungsverhalten. Schimpansen und Orang-Utans waren jedoch noch risikobereiter als Gorillas und Bonobos.
Warum genau das so ist, wissen die Forscher bislang noch nicht; möglicherweise spielen die unterschiedlichen Nahrungsgewohnheiten in freier Natur eine Rolle: Während Gorillas und Bonobos auf Blätternahrung ausweichen, sobald Früchte rar sind, suchen Schimpansen und Orang-Utans mit größerer Ausdauer nach der begehrten süßen Kost.
„Unsere Studie liefert ein weiteres wichtiges Indiz dafür, dass die Gedankenwelt von Menschenaffen komplexer ist als lange Zeit angenommen“, sagt Haun. Die Forscher hoffen, anhand ihrer Studie auch neue Erkenntnisse darüber zu erlangen, nach welchen Kriterien Menschen Entscheidungen treffen. (PLoS ONE, 2011; doi:10.1371/journal.pone.0028801)
(MPG, 09.01.2012 – DLO)