Schweizer Wissenschaftler haben gezeigt, dass kurze Ribonukleinsäure-Fäden, die die Proteinproduktion steuern, selbst auch reguliert werden. Diese zusätzliche „Kontrollebene“ öffnet ein neues, weites Feld für therapeutische Ansätze, so die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals „Nature“.
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Ribonukleinsäuren spielten lange nur eine Nebenrolle. Als bloße Vermittlerinnen zwischen den Hauptdarstellerinnen, der DNA und den Proteinen, stießen sie bei Forschern auf wenig Interesse. Mit der Entdeckung von kleinen Ribonukleinsäuren, so genannten microRNAs, rückten sie jedoch mehr und mehr ins Scheinwerferlicht. Diese microRNAs binden nämlich an die Botenribonukleinsäuren namens mRNA und regulieren so die Übersetzung der Gene in Proteine.
In jüngster Zeit zeigten verschiedene Studien, dass die Produktion von microRNAs stark kontrolliert ist. Was danach mit den microRNAs geschieht war unklar. Man ging davon aus, dass die microRNAs über Tage stabil in der Zelle bleiben und nahm an, dass darum ihr möglicher Einsatzbereich eingeschränkt ist: Bei allen Vorgängen in der Zelle, die eine rasche Anpassung erfordern, kann eine microRNA, die über längere Zeit präsent ist, keine Rolle spielen.
microRNAs im Rampenlicht
Mit der neuen Studie von Helge Grosshans vom Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research (FMI) verdrängen die microRNAs die DNA definitiv aus dem Rampenlicht und übernehmen die Hauptrolle im Theater der Zellprozesse. Grosshans und sein Team entdeckten einen Mechanismus für den aktiven Abbau von microRNAs und zeigen, dass auch dieser Mechanismus reguliert ist.
„Was einst als direkter, gerader Weg verstanden wurde, etabliert sich langsam als dichtes Netz von Regulationsmechanismen: Gene werden nicht einfach über die BotenRNA in Proteine übersetzt. MicroRNAs kontrollieren die Übersetzung der BotenRNAs in Proteine und Proteine regulieren wiederum die microRNAs auf verschiedenen Ebenen“, erklärt Grosshans seine Erkenntnisse.
Darüber hinaus konnten die FMI Forscher im Fadenwurm Caenorhabditis elegans zeigen, dass sie über die Regulation des Abbaus gezielt die Aktivität einer microRNA beeinflussen können. Damit kommen microRNAs plötzlich auch für die Regulation von Prozessen in Frage, die rasch ablaufen.
Gezielt krankmachende Ribonukleinsäuren abbauen
Die Resultate sind nach Angaben der Forscher aber auch noch in einer anderen Hinsicht interessant. Da microRNAs bei der Entstehung von Krankheiten involviert sind, hat man bis anhin versucht krankmachende microRNAs durch andere microRNAs zu ersetzen oder sie über komplementäre RNA Stücke zu deaktivieren. Leider ist es äußerst schwierig, RNAs für therapeutische Zwecke in die kranken Zellen zu bringen. Demzufolge sind die Erfolgsaussichten dieser neuartigen Therapieansätze bisher unklar.
Grosshans hat dagegen in seiner Studie ein Protein identifiziert, das microRNAs gezielt abbaut. Gelingt es jetzt, dieses Protein und seine Partner spezifisch zu aktivieren oder zu hemmen, dann wäre das ein Ansatz, der den klassischen und mehrfach erprobten Therapieformen näher ist.
„Wir gehen heute davon aus, dass eine große Anzahl menschlicher Gene von microRNAs reguliert wird. Der von uns gefundene Regulationsmechanismus besitzt also ein riesiges Potenzial, eine Vielzahl von Prozessen in den Zellen maßgeblich zu beeinflussen“, betont Grosshans die Bedeutung der Ergebnisse.
(Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research (FMI), 11.09.2009 – DLO)