Mikrobe als Biokunststoff-Fabrik: Forscher haben ein Bakterium identifiziert, das den Holz-Inhaltsstoff Lignin abbaut und daraus PDC produziert – eine Vorstufe für ein PET-ähnliches Bioplastik. Von Natur aus zersetzt diese Mikrobe das PDC zwar weiter, doch Forscher haben dies durch die Deaktivierung dreier Gene gestoppt. Dadurch erhielten sie eine Mikrobe, die immerhin 59 Prozent der Lignin-Komponenten zu PDC umbaut – ein vielversprechender Ansatz für die biologische Produktion von Biokunststoffen.
Kunststoff ist günstig, leicht und vielseitig anwendbar – und fast allgegenwärtig. Das Problem jedoch: Plastik wird aus erdölbasierten Rohstoffen erzeugt und ist damit alles andere als klimafreundlich. Hinzu kommt, dass Kunststoff nicht biologisch abbaubar ist und Plastikmüll und Mikroplastik inzwischen Böden, Gewässer und Meere verschmutzen. Deshalb suchen Forscher weltweit nach Möglichkeiten, biologisch abbaubare Kunststoffe aus pflanzlichen Rohstoffen herzustellen.
Lignin: Potenziell nützlich, aber schwer zu knacken
Ein vielversprechender Ausgangsstoff für biobasierte Kunststoffe ist Lignin, ein natürliches Polymer, das den Zellwänden holziger Pflanzen ihre Stabilität verleiht. „Lignin ist nach Erdöl die reichhaltigste Quelle aromatischer Verbindungen auf diesem Planeten“, erklärt Daniel Noguera von der University of Wisconsin-Madison. Doch dieses Biopolymer aus verschiedenen ringförmigen Kohlenwasserstoffverbindungen ist chemisch schwer zu zerlegen, deshalb wird Lignin bisher kaum als Rohstoff genutzt. Bei der Papierherstellung fällt es als Abfallstoff an, der meist einfach verbrannt wird.
Nun jedoch könnten die Forscher einen Helfer gefunden haben, der das Lignin auf biologische Weise zerlegt: das Bakterium Novosphingobium aromaticivorans. Entdeckt haben Noguera, sein Kollege Miguel Perez und ihr Team diese Mikrobe in Bodenschichten, die mit Erdöl und anderen Kohlenwasserstoffen kontaminiert waren. „Das Bakterium nutzt eine Reihe von aromatischen Verbindungen als Kohlenstoff- und Energiequelle für sein Wachstum“, berichten sie.
Mikrobe macht aus Lignin PDC
Das legte die Vermutung nahe, dass dieses Bakterium auch Lignin abbauen könnte. „Als wir diese Mikrobe gefunden haben, war sie ja schon gut darin, eine große Bandbreite solcher Moleküle zu zerlegen“, sagt Perez. Und tatsächlich: Bei Tests im Labor zeigte sich, dass das Bakterium eine Vielzahl der Lignin-Komponenten abbauen kann. „Bei bisher getesteten Mikroben war es immer nur einen kleinen Teil der aromatischen Komponenten des Lignins“, berichtet Perez.
Als Zwischenprodukt des Ligninabbaus produziert das Bakterium 2-Pyron-4,6-Dicarboxylsäure, kurz PDC. Diese Verbindung gilt als vielversprechender Ausgangsstoff für Polyester und auch PET-ähnliche Biokunststoffe. Diese sind hitzebeständig, aber innerhalb von weniger als drei Wochen biologisch abbaubar, wie Tests ergaben. Das Problem jedoch: „PDC ist auf gängigem Wege nur schwer herzustellen, es gibt keinen industriellen Prozess dafür“, erklärt Noguera.
Ausbeute von 59 Prozent
Hier kommt nun die Mikrobe Novosphingobium aromaticivorans ins Spiel: Wie sie natürlicherweise das PDC zwar herstellt, aber dann weiter abbaut, manipulierten die Forscher ihr Abbauverhalten. Sie deaktivierten drei Gene des Bakteriums, um sie zu einem Produzenten für PDC zu machen. Als Folge baute die Mikrobe weiterhin Lignin zu PDC ab, die weitere Zerlegung dieses Moleküls unterblieb aber. Dadurch wurde PDC zum Endprodukt dieser bakteriellen Abbaukette.
Wie effektiv diese mikrobielle Herstellung von PDC aus Lignin funktioniert, testeten Perez und sein Team in mehreren Laborkulturen. Das Ergebnis: „In Kulturen mit einer heterogenen Mischung aromatischer Moleküle aus Pappel-Lignin wurden 59 Prozent der Verbindungen in PDC umgewandelt“, berichten die Forscher. „Damit zeigen unsere Resultate, dass N. aromaticivorans ein vielversprechendes Potenzial für die Herstellung von PDC aus aromatischen Verbindungen besitzt.“
„Eine ganz neue Industrie“
Noch ist die PDC-Ausbeute allerdings nicht optimal und der Ausgangsstoff Lignin muss chemisch vorbehandelt werden. Doch die Wissenschaftler sind zuversichtlich, dass sie diesen biologischen Prozess hin zu einem Bioplastik-Rohstoff noch weiter verbessern können. „Wenn wir dieses System dazu bringen können, PDC mit ausreichend hoher Rate und Ausbeute zu produzieren, dann könnte dies eine ganz neue Industrie erschaffen“, sagt Noguera.
Biokunststoff könnte dann beispielsweise aus den Abfällen der Papierindustrie hergestellt werden – und so keine zusätzlichen pflanzlichen Ressourcen verbrauchen. Denn wenn Pflanzen wie Mais, Zuckerrohr oder Weizen als Bioplastik-Rohstoff verwendet werden, tritt die Kunststoffproduktion in Konkurrenz zum Nahrungsanbau und kann zudem die Umwandlung von Wald in Felder fördern, wie erst kürzlich eine Studie belegte. Das schadet dann Umwelt und Klima. (Green Chemistry, 2019; doi: 10.1039/C8GC03504K)
Quelle: University of Wisconsin-Madison