Medizin

Mikroben-Eiweiß als Krebswirkstoff

Forscher klären Mechanismus eines Proteinblockers aus Bakterien auf

Wenn Buschbohnen krankhaft-braune Flecken bekommen, stecken Pseudomonas-Bakterien dahinter. Bei ihrem Angriff auf die Pflanze sondern die schädlichen Mikroben einen Stoff ab, der die Abwehr der Pflanze durcheinander bringt – und sich in Zukunft als segensreich für den Menschen erweisen könnte. Denn die Substanz hemmt auch das Wachstum von Krebszellen. Ein internationales Forscherteam hat jetzt die Struktur und den neuartigen Wirkmechanismus des Bakterienstoffs aufgeklärt und berichtet über seine Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe von Nature.

{1l}

Bakterien haben es nicht leicht Pflanzen zu befallen, denn deren wächserne Oberfläche und Zellwände stellen für die Mikroben schwer zu überwindende Hürden dar. Gelingt der Durchbruch trotzdem, beginnt die Pflanze in vielen Fällen, sich aktiv zu wehren: Sie produziert ein ganzes Arsenal spezieller Eiweiße, die die biochemische Abwehr gegen das Pathogen in Gang setzen. Damit diese Abwehr funktioniert, müssen Proteine, die die Abwehr unterdrücken, abgebaut werden. Dies übernehmen die zellulären Entsorgungsstationen, die so genannten Proteasomen. Sie zerlegen zum Abbau bestimmte Eiweiße wieder in ihre Bausteine.

Doch die biochemischen Verteidigungslinien der Pflanzen sind nicht unüberwindbar: Bakterien der Art Pseudomonas syringae pathovar syringae – kurz Pss – sondern einen kleinen, aber höchst effektiven Eiweißring namens Syringolin A ab. Der stiftet in den Blattzellen der unfreiwilligen Pss-Wirtin, der Buschbohne, Verwirrung und führt so den Angriff der Pss-Bakterien zum Erfolg.

Syringolin A schaltet Proteasomen aus

Was dieser Eiweißring in den Blättern der Buschbohne genau bewirkt, haben Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) zusammen mit Kooperationspartnern der Max-Planck-Institute in Martinsried und Dortmund sowie Kollegen aus der Schweiz, Großbritannien und den USA herausgefunden: Syringolin A blockiert in den Blättern die Proteasomen der Buschbohne, indem es sich in einer ungewöhnlich festen chemischen Bindung an sie kettet. Das führt zu einem wahren Proteinstau in den Buschbohnenblättern, und in der Folge gerät die pflanzliche Abwehr dadurch aus den Fugen.

Außerdem klärten die Forscher die Struktur des Syringolins auf – und kamen so auf die Spur einer ganzen Eiweißfamilie: Sie fanden eine Reihe ähnlicher Verbindungen in anderen Mikroorganismen, die ähnlich wie Syringolin A funktionieren.

Diese Erkenntnisse sind nicht nur bedeutsam, um etwa Schutzmittel für die Buschbohne zu entwickeln. Syringolin A & Co. könnten sich in Zukunft auch für die Krebsbekämpfung eignen. Denn auch menschliche Tumorzellen produzieren sehr viele Proteine und sind daher von gut funktionierenden Proteasomen abhängig.

Naturstoff mit wachstumshemmender Wirkung

Ein synthetischer Proteasom-Hemmstoff ist bereits seit einigen Jahren als Therapeutikum erhältlich. Möglicherweise könnte er Unterstützung durch den Naturstoff Syringolin A erhalten, der in ersten Experimenten mit kultivierten Krebszellen bereits wachstumshemmende Wirkung zeigte.

Biochemiker sehen sogar noch weiteres Potenzial in Syringolin A & Co: Fänden sich geeignete Vertreter ihrer Klasse, wäre deren Einsatz auch gegen bakterielle Krankheitserreger denkbar, die Mensch oder Pflanze plagen. Die Grundlage für die Entdeckung und Erforschung dieser neuartigen Naturstoffe ist jedenfalls gelegt.

(idw – Technische Universität München, 10.04.2008 – DLO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Schriftzeichen

Ältestes Alphabet der Welt entdeckt?

Erstes Porträt eines extragalaktischen Sterns

Baby-Säbelzahnkatze im Permafrost entdeckt

Auch erwachsene Schimpansen spielen noch miteinander

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Schmerz - Alarmstufe Rot im Nervensystem

Bücher zum Thema

Was treibt das Leben an? - Eine Reise in den Mikrokosmus der Zelle von Stephan Berry

Thema Krebs - von Hilke Stamatiadis- Smidt, Harald zur Hausen und Otmar D. Wiestler

Was hab ich bloß? - Die besten Krankheiten der Welt von Werner Bartens

Heilwissen versunkener Kulturen - Im Bann der grünen Götter von Gisela Graichen

Menschen, Seuchen und Mikroben - Infektionen und ihre Erreger von Jörg Hacker

Schmerz - Eine Kulturgeschichte von David Le Breton

Top-Clicks der Woche