Medizin

Mikroben im Kinderzimmer schützen vor Asthma

Schutzwirkung der Mikroben-Zusammensetzung in Innenräumen von Bauernhöfen nachgewiesen

Kind - noch ohne Allergie © SXC

Kinder, die auf Bauernhöfen leben, leiden seltener an Asthma und Allergien, so viel ist bekannt. Der Kontakt mit Mikroben und Pilzen aus Rinderfell, Heu und Stroh scheint das Immunsystem zu stärken. Jetzt aber haben Wissenschaftler festgestellt, dass auch die Mikroben-Zusammensetzung in den Innenräumen, beispielsweise den Kinderzimmern, eine wichtige Rolle spielt. Je vielfältiger hier die Mikrobenwelt, desto wahrscheinlicher bleiben Asthma oder Allergien aus, so die Forscher im „New England Journal of Medicine“. Das eröffnet auch neue Chancen für den Asthmaschutz bei Stadtkindern.

Asthma gehört in Europa zu den wichtigsten chronischen Krankheiten im Kindesalter, und Asthmatiker leiden oft ein ganzes Leben lang an ihrer Krankheit. Daher kommt Asthma eine besondere gesellschaftliche und gesundheitspolitische Relevanz zu. Verursacht wird die Krankheit durch eine

Kombination genetischer und umweltbedingter Faktoren, wobei verschiedene Studien der letzten Jahre ergaben, dass Bauernkinder ein deutlich niedrigeres Asthmarisiko haben als andere Kinder. Um der Ursache dieses Phänomens auf den Grund zu gehen, hat ein internationales Forscherteam im Rahmen der beiden großen europäischen Epidemiologiestudien GABRIEL und der PARSIFAL bereits vor fünf Jahren mit großangelegten Vergleichsuntersuchungen begonnen.

10.000 Bauernkinder und ihre Umwelt untersucht

Forschergruppen in Baden-Württemberg und Bayern sowie den deutschsprachigen Regionen Österreichs, der Schweiz und in Polen haben 10.000 Bauernkindern sowie Mädchen und Jungen aus der ländlichen Referenzgruppe Blutproben entnommen, außerdem sind die Kinder gemessen und gewogen worden. Von den Eltern ausgefüllte Fragebögen gaben Aufschluss über Aktivitäten der Mädchen und Jungen wie Kühe melken oder misten. Mit den so gewonnenen Daten konnten die Wissenschaftler zunächst bestätigen, dass ein bäuerliches Umfeld vor Asthma und Allergien schützt.

Innenräume im Fokus

Das Besondere an der neuen Untersuchung: Die Wissenschaftler beschränkten sich auf Innenräume und untersuchten den Staub aus den Kinderzimmern auf Pilze und bakterielle DNA. „Auf diese Weise suchen wir eine Antwort auf die Frage, ob bestimmte Expositionen auf dem Bauernhof, also Bakterien und Pilze, erklären, dass Bauernkinder weniger Allergien und Asthma entwickeln als ihre Klassenkameraden“, erklärt Jon Genuneit vom Institut für Epidemiologie an der Universität Ulm.

Im Ergebnis zeigte sich, dass sich Bauernkinder auch in Innenräumen mit viel mehr verschiedenen Umweltmikroben auseinandersetzen müssen als andere Kinder. Dabei erschienen die Umweltkeime quasi als Gesundheitswächter: Je vielfältiger der Mikrozoo im Hausstaub war, desto geringer war das Asthma-Risiko.

Wirkmechanismus noch unklar

Auf welche Weise diese Keime das Asthmarisiko senken, ist aber noch unklar. Die Wissenschaftler halten verschiedene Erklärungen für denkbar. „Eine Möglichkeit wäre, dass die Kombination bestimmter Umweltkeime das angeborene Immunsystem anregt und eine Asthma begünstigende Immunlage dadurch verhindert wird“, erklärt Markus Ege vom Klinikum der Universität München Schulkinder in Bayern. Eine andere Erklärung könnte darin liegen, dass die Auseinandersetzung mit vielfältigen Umweltmikroorganismen die übermäßige Besiedelung der unteren Atemwege mit Asthma auslösenden Keimen verhindert – ähnlich wie im Darm, der für eine reibungslose Funktion auch eine ausgewogene Keimflora benötigt.

Welche Artenkombination ist wirksam?

Mikrobielle Vielfalt allein reicht vermutlich allerdings nicht aus, um Asthma zu verhindern. Wahrscheinlich ist es eine Kombination spezifischer Arten, die eine Schutzwirkung entfalten kann. „Im gesamten untersuchten Spektrum fanden sich einige Keime, die besonders interessant sein könnten“, berichtet Ege, „dazugehören außer bestimmten Bazillen und Staphylokokken – etwa die Art Staphylococcus sciuri – auch Schimmelpilze der Gattung Eurotium.“

Die nächste Herausforderung für die Wissenschaftler ist es nun, den Zusammenhang zwischen der Präsenz von Mikroben im Hausstaub und dem Schutz vor Asthma artspezifisch zu untersuchen – und so auf lange Sicht unter den Kandidaten die Keime zu finden, die für einen potenziellen Impfstoff infrage kommen. (New England Journal of Medicine online, 2011; doi: 10.1056/NEJMoa1007302)

(Universität München / Universität Ulm, 25.02.2011 – NPO)

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