Mikrobiologie

Mikroben unter Europas größtem Krater

Indizien für Einschlagskrater als Einfallstor für Besiedelung der tiefen Biosphäre

Siljan-Einschlag
Der Einschlag eines Meteoriten vor 380 Millionen Jahren schuf den schwedischen Siljan-Krater – und eröffnete damit einen Weg für Mikroben in die tiefe Biosphäre. © Henrik Drake

Leben in der Tiefe: Meteoritenkrater wie der Siljan-Krater in Schweden könnten Einfallstore für Mikroben in den „Keller der Erde“ darstellen. Darauf deuten Spuren bakteriellen Lebens in bis zu 620 Meter Tiefe unter dem größten Krater Europas hin. Die beim Einschlag entstandenen Brüche im Gestein könnten den Bakterien den Weg in die tiefe Biosphäre ermöglicht haben, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Lange galten die tiefen Schichten der Erdkruste als biologisch tot. Inzwischen jedoch ist klar, dass selbst mehrere Kilometer tief unter dem Meeresgrund und der Landoberfläche noch Quadrillionen von Mikroben leben. Die gesamte Biomasse dieser tiefen Biosphäre könnte die der Menschheit weit übertreffen und ihr Artenreichtum ist vermutlich weit größer als die des gesamten oberirdischen Lebens, wie Studien nahelegen.

Siljan-Krater
Aufbau des knapp 55 Kilometer großen Siljan-Kraters in Schweden. © Henrik Drake

Bohrkerne aus dem Siljan-Krater

Doch wie kamen diese Mikroben einst in diese Tiefen? Schon länger vermuten Wissenschaftler, dass Meteoriteneinschläge dafür eine wichtige Rolle spielen. „Die Einschläge verursachen Brüche bis in große Tiefen und erzeugen damit Porenraum und die Einschlagshitze treibt hydrothermale Konvektion an – beides ist günstig für tiefe Ökosysteme“, erklären Henrik Drake von der Linnaeus Universität im schwedischen Kalmar und seine Kollegen. Bisher allerdings ist die tiefe Biosphäre gerade in Einschlagskratern kaum untersucht.

Deshalb haben Drake und sein Team dies nun für den größten Krater Europas nachgeholt – den Siljan-Krater in Mittelschweden. Dieser rund 55 Kilometer große Krater entstand vor rund 380 Millionen Jahren und wird inzwischen erneut durch Bohrungen auf Erdgas- und Erdölvorkommen erkundet. Die Forscher haben nun sieben dieser Bohrkerne auf Indikatoren für mikrobielle Tätigkeit näher untersucht.

Indizien für Leben in der Tiefe

Das Ergebnis: In den unzähligen Brüchen des Tiefengesteins stießen die Forscher auf winzige Kristalle aus Calciumcarbonat und Sulfid. „Als wir die chemische Zusammensetzung dieser Kristalle analysierten, wurde uns klar, dass sie durch mikrobielle Aktivität gebildet worden waren“, berichtet Drake. Darauf deutet unter anderem die Verteilung verschiedener Kohlenstoff- und Schwefel-Isotope in diesen Mineralen und im Methan aus den Gesteinsporen hin.

„Dies sind isotopische Fingerabdrücke von mikrobiellem Leben“, sagt Drake. Aus ihren Analysen geht hervor, dass es einst bis in 620 Meter Tiefe unter dem Einschlagskrater Bakterien gegeben hat, die Methan abbauen und auch Mikroben, die Sulfate zu Sulfiden reduzieren. Entgegen bisherigen Annahmen könnte damit ein Großteil der Erdgasvorkommen unter dem Siljan-Krater biologischen und nicht geochemischen Ursprungs sein, wie die Forscher erklären.

Calcit
Diese kleinen Calcitkristalle aus Bohrkernen im Siljan-Krater entstanden unter Mithilfe von Mikroben. © Henrik Drake

Optimale Bedingungen für eine mikrobielle Kolonisierung

Nach Ansicht der Forscher bestätigt dies, dass gerade Einschlagskrater den Organismen der tiefen Biosphäre eine günstige Umgebung und ein mögliches Einfallstor in die tieferen Gesteinsschichten bieten. „Die Impaktstruktur mit ihrem Ring aus bis in die Tiefe gebrochenen paläozoischen Sedimenten war optimal für eine Kolonisierung des tiefen Untergrunds“, erklärt Drake. „Auch, weil organisches Material und Kohlenwasserstoffe durch den fragmentierten Krater hinabgesunken sind und den mikrobiellen Gemeinschaften als Energiequelle dienen konnten.“

Die Einwanderung der Mikroben in den Untergrund fand wahrscheinlich nicht direkt nach dem Einschlag statt, sondern erst, als das Gestein wieder abgekühlt war und die Bedingungen für Mikroben günstig wurden, wie die Forscher erklären. Dies wird von einer Uran-Blei-Datierung der von den Mikroben erzeugten Calcitkristalle bestätigt: Diese sind zwischen 80 und 22 Millionen Jahre alt.

„Das unterstreicht die lange anhaltende mikrobielle Aktivität unter dem Impaktkrater, aber auch, dass diese Mikroorganismen noch bis zu 300 Millionen Jahre nach dem Einschlag hier aktiv waren“, sagt Koautor Nick Roberts vom British Geological Survey.

Krater als Wiegen des Lebens?

Er und seine Kollegen vermuten, dass auch andere Einschlagskrater auf der Erde und womöglich auch auf dem Mars das Entstehen von Mikrobengemeinschaften in der tiefen Biosphäre gefördert haben. Ihre Funde stützen zudem eine Hypothese, nach der Einschlagskrater sogar die Entstehung der ersten Lebensformen auf unserer Erde begünstigt haben könnten. Denn diese Krater boten eine geschützte und gleichzeitig chemische aktive Umgebung auf der turbulenten Urerde.
(Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-12728-y)

Quelle: Linnaeus University

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