Biologie

Mini-Krebse als Turbo-Aasfresser

Schwarm von Flohkrebsen nagt ein totes Schwein in wenigen Tagen bis auf die Knochen ab

Einer der neu entdecktne Flohkrebse, Paracallisoma alberti © National Oceanography Centre

Gruseliges Gewusel: In der Tiefsee haben Forscher Flohkrebse entdeckt, die gleich im Schwarm über Kadaver von Fischen, Vögeln und selbst Walen herfallen. Innerhalb von wenigen Tagen schafft diese wimmelnde Masse es, selbst ein Schwein bis auf die Knochen abzunagen. Ihr großer Vorteil: die zentimeterdicke Schicht winziger Krebse auf dem Kadaver schreckt andere Aasfresser ab und sichert ihnen so reiche Beute.

Flohkrebse gelten normalerwiese nicht gerade als bedrohlich, dafür kommen sie aber überall vor, wo es Wasser gibt. Man findet die wenige Millimeter kleinen Krebschen nicht nur in Seen und Flüssen, sondern auch im Meer und sogar im feuchten Boden oder als Sandflöhe am Strand. Die meisten Flohkrebse ernähren sich von organischen Abfällen, einige übernehmen aber auch die Funktion des Totengräbers: Sie fressen Aas und beseitigen dadurch die Kadaver toter Wassertiere.

40.00 Krebse auf einem toten Fisch

Zwei besonders rabiate Arten dieser aasfressenden Flohkrebse haben Tammy Horton vom National Oceanography Centre in Southampton und ihre Kollegen nun in den Tiefen des Nordatlantik aufgespürt. Vor der der Westküste Irlands hatten die Forscher Makrelen als Köder ausgeworfen, um nach neuen Krebsarten zu fahnden. Doch als sie die Köderfallen aus 4.500 Metern Tiefe wieder hinaufholten, erlebten sie eine Überraschung:

Die Köder hatten sich in eine wimmelnde Masse aus Krebsleibern verwandelt. Bis zu 40.000 Flohkrebse wuselten auf den Makrelenködern umher und zerlegten die Fische in Windeseile bis auf ihre Gräten. Die drei Millimeter kleinen Krebschen gehören zu gleich zwei neuen Gattungen, die im Schwarm auf Aassuche gehen und Kadaver von Fischen, Seevögeln und sogar Walen in Rekordzeit zerfleischen können.

Ein Schwarm von Flohkrebsen vertilgt ein ganzes totes Schwein© VENUS Coastal Network

Abgenagt bis auf die Knochen

Wie schnell dies geht, testeten Wissenschaftler um Jackson Chu von der University of Victoria in einem Experiment, bei dem sie ein totes Schwein auf den Meeresboden hinunterließen. Ein stabiles Metallgitter schützte den Kadaver dabei vor Haien. „Innerhalb von Minuten war der Kadaver von den kleinen Flohkrebsen kolonisiert“, berichten die Forscher. „Die Krebse bildeten eine mehrere Zentimeter dicke Schicht auf dem Körper des Schweins und krochen über die Körperöffnungen auch ins Innere.“ Kein anderer Aasfresser hatte dadurch auch nur die Chance, am Kadaver zu fressen.

Und der Massenangriff war effektiv: Es dauerte nur wenige Tage, bis von dem toten Schwein nur noch die Knochen übrig waren. „Zu diesem Zeitpunkt verloren die Flohkrebse das Interesse und schwammen im Pulk davon“, so die Wissenschaftler. Erst nach sieben Tagen trauten sich einige Exemplare einer größeren Krabbenart näher und knabberten an einigen übriggebliebenen Knorpelresten. Wie die Forscher berichten, sind diese Aasfresser-Schwärme aber keine Eigenheit des Nordatlantiks. Auch vor der Küste von Angola haben sie diese Flohkrebse bereits gefunden.

(National Oceanography Centre, 06.08.2015 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Wunderwelt Ozean - Zehn Jahre Volkszählung im Meer - „Census of Marine Life“

Bücher zum Thema

Im Fokus: Meereswelten - Reise in die unbekannten Tiefen der Ozeane Von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Im Fokus: Strategien der Evolution - Geniale Anpassungen und folgenreiche Fehltritte von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Schatzkammer Ozean - Volkszählung in den Weltmeeren von Darlene Trew Crist, Gail Scowcroft und James M. Harding

Faszination Meeresforschung - Ein ökologisches Lesebuch von Gotthilf und Irmtraut Hempel sowie Sigrid Schiel

Top-Clicks der Woche