Paläontologie

Missing-Link der Seestern-Evolution entdeckt

480 Millionen Jahre altes Fossil gibt Einblick in den frühen Stachelhäuter-Stammbaum

Cantabrigiaster
So ähnlich könnte Cantabrigiaster fezouataensis ausgesehen haben – ein vor 480 Millionen Jahren lebendes Bindeglied der Seestern-Evolution. © Madmeg/ University of Cambridge

Außergewöhnlicher Fund: In Marokko haben Paläontologen einen der ältesten Vorfahren der Seesterne entdeckt. Das 480 Millionen Jahre alte Fossil ähnelt zwar schon einem fünfstrahligen Stern, trägt aber auch einige Merkmale der Seelilien. Damit ist es ein wichtiges Bindeglied der Echinodermen-Evolution und wirft neues Licht auf den Stammbaum der Seesternartigen, wie die Forscher berichten.

Seesterne gehören wie die Schlangensterne, Seeigel, Seelilien oder Seewalzen zu den Stachelhäutern (Echinodermen). Typisch für sie ist die fünfstrahlige Symmetrie ihres Körpers. Dank der enormen Kraft ihrer Arme können die meist räuberischen Seesterne sogar Muscheln knacken. Ein Teil der Arten kann zur Verdauung größerer Beutetiere ihren Magen ausstülpen, andere weiden Korallenriffe ab und sind daher als Korallenschädlinge gefürchtet.

Die Wurzeln der Seesterne reichen zurück bis in die Zeit vor rund 480 Millionen Jahren. „Wenn man in der Zeit zurückreisen und im Meer des Ordoviziums tauchen würde, dann wären uns fast alle Tiere dort völlig fremd – außer den Seesternen“, erklärt Erstautor Aaron Hunter von der University of Cambridge. „Denn sie gehören zu den ältesten Vertretern der modernen Tiergruppen.“

Cantabrigiaster fezouataensis
Am Fossil von Cantabrigiaster fezouataensis ist deutlich die wedelartige Struktur der Arm-Kalkplättchen zu erkennen. © Aaron Hunter/ University of Cambridge

Fund in Marokkos Fossil-„Schatztruhe“

Dennoch sind der Ursprung und die frühe Evolution der Seesternartigen noch immer unklar. Paläontologen wissen weder genau, wann und wie die Seesterne ihre typische Sterngestalt bekamen, noch wie ihre Vorfahren mit den anderen im Ordovizium und Kambrium vorkommenden Stachelhäutern verwandt waren.

Das könnte sich nun ändern. Denn ein in Marokko entdecktes Fossil gibt ganz neue Einblicke in die Evolution der Seesterne und ihrer einzigartigen Körpergestalt. Gefunden haben es Hunter und sein Kollege Javier Ortega-Hernandez in der 480 Millionen Jahre alten Fezouata-Schieferformation im Südosten Marokkos. Dort hat das besonders feine Sediment eines einst tiefen Meeresgrunds selbst feine Strukturen und fragile Weichteile von Lebewesen konserviert – unter ihnen den ungewöhnlichen Ur-Seestern.

Merkmale von Seesternen und Seelilien in einem Tier

„Der Detailreichtum dieses Fossils ist erstaunlich – seine Struktur ist so komplex, dass wir eine Weile brauchten, um seine Bedeutung zu erkennen“, erklärt Hunter. Denn der Cantabrigiaster fezouataensis getaufte Ur-Seestern zeigt zwar die typische fünfstrahlige Symmetrie seiner heutigen Nachfahren und besitzt das für Stachelhäuter typische Ambulacralsystem flüssigkeitsgefüllter Kanäle.

Gleichzeitig jedoch fehlen dem Fossil einige wesentliche Seesternmerkmale, darunter ein durch Kalkplättchen oder Rippen klar abgetrennter Armrand. Stattdessen laufen seine Armplättchen in einer federartigen Wedelstruktur aus, wie die Paläontologen berichten. Darin ähnelt Cantabrigiaster eher den Seelilien, einer ebenfalls sehr urtümlichen und alten Echinodermengruppe.

Bindeglied der Seestern-Evolution

Nach Ansicht der Forscher ist Cantabrigiaster damit ein entscheidendes Bindeglied der Seestern-Evolution. Sie ordnen diesen Stachelhäuter an der Basis des Stammbaumzweigs ein, der alle heutigen Seesterne und Schlangensterne sowie die schon ausgestorbenen Ur-Seesterne (Somasteroidea) umfasst. Gleichzeitig ist Cantabrigiaster der bislang ursprünglichste Vertreter der frühen Seesternartigen und steht damit den eng verwandten Seelilien noch am nächsten.

„Dieses Missing-Link zu den Vorfahren der Seesterne zu finden, ist unglaublich spannend“, sagt Hunter. Denn das neue Fossil bietet nun die Chance, die Entwicklung und Verwandtschaftsbeziehungen der frühen Echinodermen näher zu erforschen. Zudem gibt es Aufschluss darüber, wann der Seestern-typische Körperbau entstand und was seine Vorstufen waren. (Royal Society Biology Letters, 2021; doi: 10.1098/rsbl.2020.0809)

Quelle: University of Cambridge

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