Evolution

“Missing-Link” zwischen Walen und Nilpferden entdeckt

Fossilien enthüllen überraschende Verwandtschaft

Stammbaum der Wale und Nilpferde mit dem "Missing-Link" © Jean-Renaud Boisserie/UC Berkeley

Wer ist der nächste Verwandte des Nilpferds? Diese Frage stellen sich Zoologen schon seit längerem. Lange Zeit galten das Schwein oder das südamerikanische Pekari als aussichtsreichste Kandidaten. Doch jetzt haben amerikanische Wissenschaftler ein „Missing-Link“ zwischen den Nilpferden und den Walen entdeckt und damit erstmals Fossilien mit den molekularbiologischen Indizien in Übereinklang gebracht.

Seit gut 200 Jahren streiten die Wissenschaftler über den Ursprung der Nilpferde. Grundlage aller Hypothesen waren Vergleiche der Zähne und ihrer Kauleisten, die sie in die engere Verwandtschaft zu den Schweineähnlichne rückte. Doch 1985 kam der Wissenschaftler Vincent Sarich auf die Idee, Blutproben von verschiedenen Säugern zu vergleichen und stellte eine große Ähnlichkeit von Nilpferden zu Walen fest – für die Wissenschaftlerwelt ein ebenso überraschendes wie umstrittenes Ergebnis. Doch auch folgende DNA-Analysen schienen dies zu bestätigen.

„Missing-Link“ gesucht

Aber nach wie vor fehlte jeder fossile Hinweis auf ein Bindeglied zwischen beiden. Ein eindeutiger gemeinsamer Vorfahr konnte nicht gefunden werden. „Das Problem mit den Nilpferden ist, dass nach seinem Äußeren zu urteilen eher mit dem Pferd wie noch die Griechen glaubten, oder den Schweinen, wie moderne Wissenschaftler vermuteten verwandt zu sein scheint“, erklärt Boisserie. „Molekularbiologische Vergleiche zeigen jedoch eine enge Verwandtschaft mit den Walen. Aber die Wale sehen nun mal überhaupt nicht aus wie Nilpferde. Es gibt eine 40 Millionen Jahre lange Lücke zwischen den frühen Cetacaea und den frühen Hippos.“

Urwalfossilien liefern neue Daten

Fossilien von Anthracotheren und frühen Nilpferden © Harvard University & Geological Survey of Pakistan / Natural History Museum, London

Jean-Renaud Boisserie von der Universität von Kalifornien in Berkeley und seine französischen Forscherkollegen Michel Brunet and Fabrice Lihoreau haben jetzt neue, im Jahr 2001 in Pakistan entdeckte Urwalfossilien untersucht und auf mögliche Gemeinsamkeiten zu Nilpferden und ihren Vorfahren analysiert.

Tatsächlich zeigten sich dabei entscheidende Hinweise auf ein „missing-link“, wie die Forscher nun in der Online-Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences berichten. Wale und Nilpferde besaßen vor rund 50 bis 60 Millionen Jahren einen gemeinsamen, wasserliebenden Vorfahren, der sich später in zwei Gruppen weiterentwickelte – die frühen Walartigen, Cetacaea, die später dem Land endgültig den Rücken kehrten und sich ganz an ein Leben im Wasser anpassten, und eine große Gruppe von verschiedenen vierfüßigen Landbewohnern, den Anthracotheren.

Diese schweineartigen Tiere durchlebten vor rund 40 Millionen Jahren eine Blütezeit, verbreiteten sich auf fast allen Kontinenten und entwickelten mindestens 37 unterschiedliche Arten. Erst vor rund 2,5 Millionen Jahren starben sie alle bis auf einen Nachfahren aus: das Nilpferd.

Diese durch die Fossilien gestützte Hypothese der Forscher platziert die Wale innerhalb der großen Gruppe der Paarhufer, der Tiergruppe, zu der auch Rinder, Schweine, Schafe und viele andere große Landtiere gehören. Damit widerspricht sie einer bisher angenommenen frühen Abgrenzung der Walte von den Landtieren. „Unsere Untersuchung liefert einen weiteren wichtigen Schritt in der Versöhnung von molekularbiologischen und morphologischen Ansätzen zur Bestimmung von Verwandtschaften in der Evolutionsforschung“, erklärt Boisserie. „Unsere Daten sind zudem sehr solide und eine überzeugende Alternative zu unseren Ergebnissen müsste erst noch gefunden werden.“

(University Of California, Berkeley, 08.02.2005 – NPO)

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