Biologie

Mit den Ohren eines Pottwals

Forscher belauschen erstmals akustische Weltsicht eines Pottwals beim Beutefang

Pottwal
Die riesige Nase des Pottwals dient unter anderem als Resonanzraum für sein lautes Kicksonar. Wie er es einsetzt, haben Biologen nun herausgefunden. © Shane Gross/ iStock.com

Forscher haben erstmals belauscht, wie der Pottwal seine lauten Klicks zur Echoortung nutzt – und wie er die akustische Welt um sich herum wahrnimmt. Ihr Sensor an der Walnase enthüllte, dass der Pottwal noch Schallechos seines Klicksonars aus rund 250 Meter Entfernung auffängt. Er verfügt damit über eine besonders weitreichende Echoortung. Entgegen landläufiger Annahme nutzt der Pottwal sein extrem lautes Sonar aber nicht zur Betäubung von Beutetieren.

Sein riesiger Kopf brachte ihm seinen Namen ein: Der Kopf des Pottwals macht bis zu einem Drittel seiner Körperlänge aus und sein Gehirn ist mit fast zehn Kilogramm das schwerste im gesamten Tierreich. Der enorme Kopf dient aber auch als Resonanzraum für sein Schallorgan. Mit rund 230 Dezibel sind auch die Klicklaute des Pottwals rekordverdächtig. Dieses Klicksonar dient dem Wal als Ortungshilfe und als akustisches Radar beim Aufspüren seiner Beute.

Rätsel um lautestes Sonar im Tierreich

Doch wie weit dieses Klicksonar reicht und wie der Pottwal es konkret einsetzt, war bislang kaum bekannt. „Es gibt zwar einige Hinweise darauf, dass die Pottwale ihre leistungsstarken Klicks zu Echoortung von Beute über große Distanzen hinweg und in großen Tiefen nutzen, aber direkte Tests dieser Annahme fehlten bislang“, erklären Pernille Tønnesen von der Universität Aarhus und ihre Kollegen.

Auch wie die Wale es schaffen, mit ihrem eher schwerfälligen, riesigen Kopf ihre Beute zu fangen – vor allem Fische und Tintenfische – blieb offen. Einige Wissenschaftler vermuteten, dass der Pottwal die Beutetiere mit einer solchen Wucht beschallt, dass sie betäubt werden. Dann könnte er sie ohne größere Eile vertilgen. Aber auch diese akustische Betäubung war bisher nur Spekulation.

Echoortung mit großer Reichweite

Ob das stimmt, haben Tønnesen und ihr Team nun auf besondere Weise überprüft: Sie befestigten einen Sensor direkt an der Nase eines Pottwals – und konnten so die gesamte Klangwelt der ausgesendeten und reflektierten Walklicks einfangen. „Wir liefern damit die ersten Aufzeichnungen der Echos, die von den durch den Pottwals beschallten Organismen zurückgeworfen werden“, so die Forscher. Sie hörten quasi mit den Ohren des Wals

Das „Mithören“ enthüllte: Die lauten Klicks des Pottwals verleihen seiner Echoortung tatsächlich eine sehr große Reichweite. „Wir konnten Schallechos von Einzelorganismen noch aus 144 Metern Entfernung einfangen und die Echos von Fischwärmen aus 245 Metern“, berichten Tønnesen und ihr Team. „Es ist aber wahrscheinlich, das der Detektionsbereich des Wals sogar noch zwei bis dreimal weiter reicht.“

Nach Ansicht der Biologen könnte diese große Reichweite der Sonarortung ein Schlüssel für die Anpassung des Pottwals an das Jagen in großer Wassertiefe gewesen sein. Denn dank des akustischen Fernblicks können die Meeressäuger so selbst weit in der Tiefe verstreute Fischschwärme oder einzelne Tintenfische orten.

„Summen“ bei der Beutejagd

Die Aufzeichnungen verrieten auch, wie der Pottwal seine Beute jagt. Demnach visiert er weniger als zehn Prozent der in seinem Hörfeld aufgespürten Beutetiere direkt an. Meist wählt er dabei Fische oder Tintenfische, die nicht im dicksten „Schalldickicht“ schwimmen, sondern in ruhigeren, weniger von Störechos erfüllten Wasserbereichen. Hat er eine Beute anvisiert, beginnt die Jagd.

Dabei nähert sich der Pottwal dem Beutetier bis auf rund 24 Meter, bevor er eine Intensivbeschallung startet: Er sendet nun besonders dicht aufeinanderfolgende Klicks aus, deren Echos ihm ein genaueres Bild der Beute und ihrer Bewegung vermitteln. „Die Entfernung, bei der er dieses ‚Summen‘ beginnt, ist substanziell größer als bei Schnabelwalen und viermal weiter als bei kleineren Zahnwalen“, berichten die Forscher. Denn diese starten die Intensivbeschallung erst eine halbe bis eine Körperlänge von ihrer Beute entfernt, der Pottwal dagegen beginnt schon bei knapp drei Körperlängen.

Diese Unterschiede könnten mit der eher begrenzten Manövrierfähigkeit des mächtigen Pottwals zusammenhängen: Weil er nicht sehr wendig ist, muss er die Bewegungen seiner Beute möglichst weit im Voraus erfassen. „Das früh einsetzende schnelle Klicken beim Summen gibt ihm mehr Reichweite und Zeit, seine Bewegungen zu planen“, so die Biologen.

Keine akustische Betäubung der Beute

Und noch etwas enthüllte das Mithören: Die Vorstellung, dass der Pottwal seine Beute mit Schall betäubt, ist offenbar ein Mythos. Denn der belauschte Pottwal regulierte die Intensität seiner Klicklaute mit Beginn des „Summens“ sogar deutlich herunter. „Das Maximum des bei der Beute ankommenden Schalls liegt weit unterhalb der Schalldruckstärken, die sich in Experimenten als harmlos für Tintenfische erwiesen haben“, berichten Tønnesen und ihr Team.

Damit sei die Hypothese der Schallbetäubung wohl vom Tisch, betonen die Wissenschaftler. „Das leistungsstarke Biosonar der Pottwale ermöglicht ihnen die Langstrecken-Echoortung und die gezielte Wahl der Beute, nicht aber deren Betäubung.“ (Royal Sciety Biology Letters, 2020; doi: 10.1098/rsbl.2020.0134)

Quelle: Biology Letters

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