Gesunde Tasten: Klavierspielen verbessert die Verarbeitung audiovisueller Informationen im Gehirn und kann Depressionen, Stress und Angstzustände lindern. Interessant dabei: Dieser Effekt tritt bereits bei Klavier-Anfängern ein, die elf Wochen lang eine Stunde Unterricht pro Woche nehmen, wie Forschende nun herausgefunden haben.
Wir Menschen sind auf besondere Weise mit der Musik verbunden. Das Rhythmusgefühl liegt uns wortwörtlich bereits in den Genen und in unserem Gehirn gibt es sogar ein eigenes Gesangszentrum. Musik kann außerdem einen positiven Effekt auf unsere körperliche und mentale Gesundheit haben. Gerade bei psychischen Leiden wie Angststörungen kommt schon länger die sogenannte Musiktherapie zum Einsatz. Eine bestimmte Klaviersonate von Mozart kann außerdem epileptischen Anfällen entgegenwirken.
Elf Wochen Klavierstunden
Doch nicht nur das Hören von Musik, sondern auch das Spielen eines Musikinstrumentes kann positive Effekte für Gesundheit und Gehirn haben. So verarbeiten Musiker zum Beispiel audiovisuelle Informationen besser als Nicht-Musiker und können außerdem Emotionen bei anderen Menschen leichter erkennen. Bislang war allerdings unklar, ob Musiker diese Fähigkeiten erst durch ihr musikalisches Training erlangen oder ob sie damit „bereits auf die Welt kommen“ und sie lediglich für die Musik nutzen.
Um dieses Henne-Ei-Problem zu lösen, haben Forschende um Yuqing Che von der englischen University of Bath 31 erwachsene Nicht-Musiker in drei Gruppen eingeteilt. Alle drei führten elf Wochen lang jeweils eine Stunde pro Woche eine bestimmte Aktivität aus. Die erste Gruppe absolvierte 20 Minuten lang Fingerübungen am Klavier und lernte dann 40 Minuten lang einfache Stücke zu spielen, darunter „La donna é mobile“ oder „When the saints go marching in“.
Die zweite Gruppe hörte nur die Stücke, die die erste Gruppe lernte, und die dritte Gruppe bekam musikunabhängige Leseaufgaben. Alle zwei Wochen führten Che und ihre Kollegen verschiedene Tests durch. Die Probanden mussten zum Beispiel unterschiedliche Emotionen einordnen und Fragen zu ihrem mentalen Zustand beantworten. In einem weiteren Test wurden die Teilnehmer mit zwei verschiedenen Reizen konfrontiert – einem Hör- und einem Sehreiz – und mussten einschätzen, ob beide gleichzeitig oder zeitversetzt eintraten.
Bessere Verarbeitung von Hör- und Sehreizen
Das Ergebnis: Schon elf Wochen Klaviertraining reichten aus, damit sich die Klavier-Anfänger im Test zur Reiz-Synchronität deutlich verbesserten. Sie konnten – anders als die anderen beiden Gruppen – am Ende des Zeitraums besser erkennen, ob visueller und auditiver Reiz gleichzeitig oder zeitversetzt eintrafen, wie Che und ihre Kollegen berichten.
Diese „multisensorische Verarbeitung“ hat laut Forschenden Vorteile für fast alle alltäglichen Aktivitäten und ist zum Beispiel nützlich, wenn wir Auto fahren, eine Straße überqueren oder Personen in einer Menschenmenge finden wollen. „Diese Studie liefert den ersten Beweis für einen kausalen Effekt von Musiktraining auf die Verbesserung der audiovisuellen Wahrnehmung, der über den Bereich der Musik hinausgeht“, schreiben die Forschenden.
Dies legt nahe, dass Musiker nicht von Anfang an bessere audiovisuelle Fähigkeiten haben, sondern diese erst durch die Musikausübung erwerben. Wie die Klavierstunden die kognitiven Fähigkeiten verbessern können, erklärt Ches Kollegin Karin Petrini so: „Das Erlernen eines Instruments wie des Klaviers ist eine komplexe Aufgabe. Wissenschaftlich ausgedrückt, verbindet dieser Prozess visuelle mit auditiven Informationen und führt so zu einem multisensorischen Training für den Einzelnen.“
Klavierspielen verbessert die Stimmung
Die Klavierübungen wirkten sich auch positiv auf die Stimmung der Testpersonen aus: Die Klavier-Anfänger gaben an, dass sich im Laufe des Experimentes ihre Depressionen, Angstzustände und ihr Stress reduziert hätten. Dieser Effekt war gegenüber den anderen beiden Gruppen allerdings nicht ganz so stark ausgeprägt wie bei der audiovisuellen Verarbeitung.
Dennoch vermuten die Forschenden, dass das Erlernen eines Musikinstrumentes für Menschen mit psychischen Problemen von Vorteil sein könnte. Das wird derzeit in weiteren Forschungsarbeiten überprüft. Keinerlei Verbesserung trat hingegen beim Erkennen von Emotionen ein. Hier konnten die Forschenden in keiner der drei Gruppen eine entscheidende Veränderung feststellen. (Scientific Reports, 2022; doi: 10.1038/s41598-022-23340-4)
Quelle: University of Bath