Sie waren die größten Vögel, die jemals auf der Erde gelebt haben: Die flugunfähigen Moas lebten bis vor einigen hundert Jahren in Neuseeland, starben dann aber plötzlich aus. Britische Forscher haben jetzt herausgefunden, dass ihr extrem langsames Wachstum die Riesenvögel zum Aussterben verurteilt haben könnte.
Sam Turvey von der Zoologischen Gesellschaft in London und seine Forscherkollegen von den britischen Universitäten London und Oxford sowie der neuseeländischen Universität von Canterbury fanden heraus, dass die Moas nahezu zehn Mal langsamer wuchsen als lebende Vogelarten. Ihre Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature veröffentlicht.
In Analysen von Moa-Beinknochen entdeckten die Wissenschaftler bis zu neun Wachstumsringe. Da diese ähnlich wie Jahresringe bei Bäumen jährliche Wachstumsschübe markieren, enthüllte dies, dass die Tiere nahezu zehn Jahre berauchten, bis sie ausgewachsen waren und wahrscheinlich noch einmal mehrere Jahre, bis sie die Geschlechtsreife erreichten. Heutige Vögel dagegen brauchen für die gleichen Reifeprozesse gerade maximal zwölf Monate.
„Diese Studie gibt einen faszinierenden Einblick in die Wachstumsrate von Vögeln in Abwesenheit von räuberischen Säugetieren“, erklärt Turvey. „Die einzigartige Umwelt Neuseeland förderte die Evolution einer ‚verzögerten Reife’ bei den Moas und ließ sie so nur sehr langsam und über eine lange Zeitperiode hinweg wachsen.“
Neuseeland ist eine der isoliertesten Landmassen der Erde. Unter anderem deshalb gab es vor der Ankunft der Maori um das Jahr 1300 nach Christus keine Säugetiere auf der Insel. Top-Prädator war der räuberische Riesenadler, räuberische Säugetiere dagegen existierten nicht. Weil der Moa dadurch fast keine natürlichen Feinde hatte, konnte er es sich leisten, nicht nur langsam, sondern auch extrem groß zu wachsen, so glauben die Forscher. Der größte Moa, Dinornis, erreichte immerhin eine Körpergröße von mehr als zwei Metern und wog eine Viertel Tonne.
”Moas sind eng mit noch lebenden Vogelarten, darunter Straußen, Emus und Kasuaren verwandt“, erklärt Turvey. „Das deutet an, dass alle Vögel diese ererbte Fähigkeit haben könnten, ihre Entwicklung in dieser Art zu verzögern. Aber in der Gegenwart von Räubern lag die Gewichtung mehr auf einer möglichst schnellen Reproduktion.“ Das Ende der Moas kam innerhalb von hundert Jahren nach der Besiedelung Neuseelands durch die Maori – offenbar, so der Forscher, konnten sie nicht schnell genug wachsen und sich vermehren, um die Verluste durch die starke Bejagung des „Raubtieres Mensch“ auszugleichen.
(Zoological Society of London (ZSL), 16.06.2005 – NPO)