Umwelt

Mottenlarve entpuppt sich als „Plastikfresser“

Wachsmotte baut das widerstandsfähige Polyethylen erstaunlich schnell ab

In nur 30 Minuten haben zehn Mottenlarven diese Plastikfolie so durchlöchert. © César Hernández/ CSIC

Zufallsfund im Plastikbeutel: Forscher haben entdeckt, dass Larven der Wachsmotte den Kunststoff Polyethylen (PE) abbauen können – eine der hartnäckigsten Plastikvarianten überhaupt. Schon der bloße Kontakt mit den Larven reicht, um eine Plastiktüte innerhalb von wenigen Stunden zu durchlöchern, wie die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“ berichten. Wahrscheinlich ist dafür ein Enzym der Larven verantwortlich – und dieses könnte künftig beim Abbau von Plastikmüll helfen.

Rund 40 Prozent des in Europa produzierten Plastiks besteht aus Polyethylen (PE). Der widerstandsfähige Kunststoff steckt in Plastiktüten, Folien, Plastikverpackungen und Kunststoffbeschichtungen aller Art. Das Problem dabei: PE ist biologisch kaum abbaubar und nur durch harte Chemikalien kleinzukriegen. Als Folge treiben Unmengen dieses Plastiks als Abfall in Seen, Flüssen und Meeren oder füllen ganze Deponien.

Plastiktüte voller Löcher

Abhilfe könnte nun von unerwarteter Seite kommen: von der Mottenlarve Galleria mellonella. Dieses Insekt ist bisher vor allem als Parasit in Bienenstöcken bekannt. Die Motten legen ihre Eier in den Bienenstock und ihre Larven wachsen dort heran, während sie sich vom Wachs der Waben ernähren. Auch die Stöcke der Forscherin und Amateur-Imkerin Federica Bertocchini waren mit den Parasiten befallen.

Als die Forscherin jedoch die Wachsmotten von den Bienenwaben absammelte und zunächst in einer Plastiktüte steckte, bemerkte sie Erstaunliches: „Als ich später zurückkam, waren die Larven aus der verschlossenen Tüte entwischt und das Plastik war voller Löcher“, beschreibt Bertocchini. „Es gab dafür nur eine Erklärung: Die Larven müssen die Löcher gemacht und durch sie entkommen sein.“

Überraschend schneller Plastik-Abbau

Um diese Hypothese zu überprüfen, führten Bertocchini und ihre Kollegen nun systematische Experimente durch. Sie bestätigten: Die Larven der Wachsmotte können tatsächlich das widerstandsfähige Polyethylen zersetzen – und das verblüffend schnell: „Die ersten Löcher in der PE-Folie erscheinen schon nach 40 Minuten des Kontakts mit den Larven“, berichten die Forscher.

Die Mottenlarven bauen das Polyethylen erstaunlich schnell ab, wie die Versuche ergaben. © Federica Bertocchini, Paolo Bombelli, Chris Howe

In zwölf Stunden schaffen 100 Larven es, 92 Milligramm PE einer gewöhnlichen Plastiktüte komplett zu zersetzen. Eine Larve schafft dabei pro Stunde durchschnittlich 2,2 Löcher. „Das ist wirklich sehr schnell“, sagt Bertocchini. Zum Vergleich: Die 2016 entdeckten plastikfressenden Bakterien bauen rund 0,13 Milligramm PET pro Quadratzentimeter und Tag ab. Bei den Wachsmotten-Larven sind es umgerechnet 0,23 Milligramm pro Quadratzentimeter und Tag.

Chemisch zersetzt

Aber wie genau zersetzen die Mottenlarven das Plastik? Wie die Forscher berichten, ist es nicht allein eine rein mechanische Zerkleinerung durch aktives Fressen: Schon der bloße Kontakt mit den Larven oder den Mottenpuppen reicht aus, um das PE zu zersetzen. Im Versuch lösten auch getötete und zerkleinerte Larven, die auf eine Plastiktüte geschmiert wurden, den PE-Abbau aus.

„Die Larven erzeugen offensichtlich etwas, das die chemischen Bindungen des Kunststoffs aufbricht“, erklärt Erstautor Paolo Bombelli von der University of Cambridge. Dabei könnte es sich um ein Enzym handeln, das von den Mottenlarven im Speichel oder von symbiotischen Bakterien im Darm produziert wird. Dieses Enzym könnte den Insekten unter normalen Bedingungen dabei helfen, das Wachs der Bienenwaben aufzubrechen und zu verdauen.

Enzym löst Polymerbindungen auf

„Wachs ist ebenfalls ein Polymer – und damit eine Art ’natürliches Plastik'“, erklärt Bertocchini. „Es hat eine chemische Struktur, die dem von Polyethylen nicht unähnlich ist.“ Beide Moleküle besitzen ein Gerüst aus Kohlenwasserstoffen, in dem CH2-CH2-Bindungen eine wichtige Rolle spielen.

Genau an diesen Bindungen setzt das Mottenlarven-Enzym offenbar an und zerlegt das Polyethylen in Ethylenglykol-Fragmente, wie Analysen nahelegen. „Die nächsten Schritte werden es sein, die molekularen Prozesse dieser Reaktion aufzuklären und zu schauen, ob wir das dafür verantwortliche Enzym isolieren können“, sagt Bombelli.

Werkzeug gegen Plastikabfall?

Sollte tatsächlich nur ein Enzym für den schnellen Plastikabbau verantwortlich sein, dann könnte dies nach Ansicht der Forscher spannende Möglichkeiten für die künftige Entsorgung von Plastikmüll eröffnen. Denn dieses Enzym könnte dann in großtechnischem Maßstab produziert und gezielt zur Zersetzung von Plastikabfall beispielsweise auf Deponien eingesetzt werden.

„Unserer Entdeckung könnte daher ein wichtiges Werkzeug sein, um den Polyethylen-Abfall loszuwerden, der unsere Deponien und Ozeane vollmüllt“, meint Bombelli. Immerhin werden weltweit allein eine Milliarde Plastiktüten aus PE pro Jahr benutzt – und landen danach zum großen Teil im Müll. (Current Biology, 2017; doi: 10.1016/j.cub.2017.02.060)

(Cell Press, University of Cambridge, CSIC, 25.04.2017 – NPO)

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