Biologie

Multitasking: Tauben schlagen Menschen

Vögel können in bestimmten Situationen schneller zwischen Aufgaben wechseln als wir

Tauben sind schlauer als man ihnen zutraut. © Leo za1/ CC-by-sa 3.0

Verblüffende Fähigkeit: Tauben können genauso schnell wie Menschen zwischen zwei Aufgaben hin und her wechseln. Und in manchen Situationen sind sie sogar schneller als wir, wie ein Experiment belegt. Die Ursache für die leichten Vorteile in Sachen Multitasking könnte die hohe Neuronendichte im Gehirn der Tauben sein. Denn ihr Denkorgan ist zwar winzig – es besitzt pro Kubikmillimeter aber sechsmal mehr Nervenzellen als das menschliche Gehirn.

Tauben gelten landläufig nicht unbedingt als Ausbund der Intelligenz. Aber das täuscht. Obwohl das Gehirn dieser Vögel nur so klein ist wie die Spitze unseres Zeigefingers, leisten sie damit Erstaunliches, wie Studien belegen: Tauben können zählen, abstrakte Zahlen- sowie orthografische Regeln verstehen und sogar lernen, auf Gewebeschnitten Krebs von gutartigen Geschwulsten zu unterscheiden.

Dass das winzige Gehirn der Vögel zu komplexen Leistungen fähig ist und dem menschlichen Denkorgan weniger unterlegen ist, als man glauben mag, verdeutlicht nun erneut ein Experiment. Für ihre Versuche ließen Sara Letzner von der Ruhr-Universität Bochum und ihre Kollegen Tauben zum Multitasking-Wettstreit gegen Menschen antreten.

Im Multitasking-Test

Im Experiment mussten die zwölf tierischen und fünfzehn menschlichen Probanden wiederholt eine gerade ablaufende Handlung stoppen und so schnell wie möglich zu einer Alternativhandlung wechseln. Dabei galt es, unter anderem auf visuelle und akustische Signale zu reagieren. Der Wechsel zur Alternativhandlung wurde dabei entweder gleichzeitig mit dem Abstoppen der ersten Handlung signalisiert oder mit einer kurzen Verzögerung von 300 Millisekunden.

Wie würden Tauben und Menschen bei dieser Aufgabe abschneiden? Es zeigte sich: Sollten sie gleichzeitig die eine Handlung stoppen und mit der neuen beginnen, wurden Tauben und Menschen dabei in gleichem Maße langsamer. In diesem Fall findet echtes Multitasking statt, weil zwei Prozesse im Gehirn parallel ablaufen – diese Doppelbelastung stellt offenbar für Vögel wie Menschen eine ähnliche Herausforderung dar.

Der Abstand von Nervenzellen ist bei Tauben halb so groß wie bei Menschen. Sie können deshalb schneller miteinander interagieren. © Onur Güntükürn

Tauben sind schneller

Anders verhielt es sich, als die Probanden erst nach einer minimalen Pause zu der neuen Tätigkeit übergehen sollten. In diesem Fall reagierten die Tauben etwa 250 Millisekunden schneller als ihre menschlichen Kontrahenten. Bei diesem Wechsel nach Verzögerung ändern sich die Abläufe im Gehirn, wie die Forscher erklären: Die zwei Prozesse, das Stoppen der ersten Handlung und der Wechsel zur zweiten, wechseln sich wie bei einem Pingpongspiel ab. Dafür müssen die Gruppen von Nervenzellen, die diese beiden Prozesse kontrollieren, permanent Signale hin und her schicken.

Im Taubengehirn gelingt das offenbar besser – aber warum? Letzner und ihre Kollegen haben eine plausible Erklärung dafür: Zwar besitzen Tauben keine Struktur, die mit der sechsschichtigen Großhirnrinde von Säugern vergleichbar ist – jenes Areal, das lange Zeit als Voraussetzung für komplexe kognitive Funktionen wie Multitasking galt.

Dafür aber besitzen die Vögel pro Kubikmillimeter Gehirn sechsmal mehr Nervenzellen als Menschen. Dadurch ist die durchschnittliche Distanz zwischen zwei Neuronen bei Tauben nur halb so groß wie bei uns. Die größere Dichte der Neuronen, glauben die Forscher, könnte für die Bewältigung bestimmter Aufgaben einen Vorteil bedeuten.

Vorteil dicht gepacktes Gehirn

„In der kognitiven Neurowissenschaft ist es schon länger ein Rätsel, wie Vögel mit so kleinen Gehirnen und ohne einen Kortex so schlau sein können, dass einige von ihnen, etwa Krähen und Papageien, es kognitiv mit Schimpansen aufnehmen können“, sagt Letzner.

Die Ergebnisse der Studie geben eine Teilantwort: Gerade durch das kleine, aber mit Nervenzellen dicht gepackte Gehirn reduzieren Vögel die Verarbeitungszeiten bei Aufgaben, für die unterschiedliche Gruppen von Neuronen immer wieder sehr schnell Informationen austauschen müssen. (Current Biology, 2017; doi: 10.1016/j.cub.2017.07.056)

(Ruhr-Universität Bochum, 26.09.2017 – DAL)

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