Bach oder Strawinsky? Punk oder Pop? Blues oder Acid Jazz? Unsere musikalischen Vorlieben verraten, wie empathisch oder systematisch wir denken. Wie ein Experiment belegt, lässt sich unsere kognitive Veranlagung sogar an unseren Präferenzen innerhalb einer Musikrichtung ablesen – und dies unabhängig von Geschlecht oder sonstigem Persönlichkeitstyp, wie die Forscher im Fachmagazin „PLOS ONE“ berichten.
Musik ist ein globales Phänomen: Es gibt sie in nahezu jeder Kultur und sie hat verschiedenste positive Effekt auf unseren Körper und Geist. Welche Musikrichtung wir gerade hören, lässt sich sogar an unserem Gehirn ablesen. Ob wir ein Stück mögen oder nicht, verrät darüber hinaus viel über unsere Persönlichkeit.
Eher empathisch oder systematisch?
David Greenberg von der University of Cambridge und seine Kollegen haben nun untersucht, ob und wie unser Musikgeschmack auch Auskunft über unseren kognitiven Stil gibt. Psychologen bezeichnen damit die Neigung eines Menschen, empathisch auf seine Umwelt zu reagieren oder aber systematisch-rational – eher an den Regeln und Mechanismen interessiert, die hinter den Dingen stehen.
Für ihr Experiment baten sie 4.000 Versuchspersonen, einen ausführlichen psychologischen Online-Fragebogen auszufüllen, um deren Persönlichkeit und kognitiven Stil zu erfassen. Anschließend hörten sich die Teilnehmer 50 Musikstücke aus 26 verschiedenen Musikrichtungen an und sollten bewerten, wie gut ihnen die Stücke gefielen.
Klare Zuordnung
Das Ergebnis war überraschend deutlich und unabhängig vom sonstigen Persönlichkeitstyp und vom Geschlecht: Diejenigen, die hohe Empathiewerte hatten, bevorzugten sanfte, unprätentiöse Musik mit eher traurigem Thema und mieden intensive Stilrichtungen – sie hören eher Soft Rock, Pop, Blues oder Latin als Punk oder Heavy Metal, wie die Forscher erklären. Eher systematisch veranlagte Menschen mochten dagegen eher komplexere, laute, intensive und anregende Musik.
„Obwohl der Musikgeschmack sich im Laufe der Zeit verändert, bestimmt das Empathie-Niveau und der Denkstil, welche Musik jemand mag“, sagt Greenberg. „Der kognitive Stil kann sogar besser vorhersagen, welche Musik wir bevorzugen als unser Persönlichkeitstyp.“ Ob wir Norah Jones hören oder Jazz von Ornette Coleman, ob Strawinsky oder Bach und Coldplay oder Slayer, verrät daher mehr über uns als wir glauben.
Ablesbar sogar innerhalb einer Musikrichtung
Diese Präferenzen zeigten sich nicht nur bei der Wahl zwischen verschiedenen Musik-Genres, sondern sogar innerhalb einer Stilrichtung: Beim Jazz bevorzugten empathische Menschen eher einfache, gefühlsbetonte Stücke, während systematisch Denkende eher intensive, komplexe Jazzstücke präferierten. Ähnlich war es auch innerhalb der Klassik oder des Pop.
„Diese Forschung bestätigt, wie sehr die Musik ein Spiegel unseres Selbst ist“, sagt Seniorautor Jason Rentfrow von der University of Cambridge. „Musik drückt aus, wer wir sind – emotional, kognitiv und sozial.“ Wie die Forscher erklären, könnten die neuen Erkenntnisse sogar dazu beitragen, Phänomene wie den Autismus besser zu verstehen. Denn Autisten gelten als extreme Systematisierer mit einer unterdurchschnittlich ausgeprägten Empathie – also als Extrem in Bezug auf ihren kognitiven Stil. (PloS ONE, 2015: doi: 10.1371/journal.pone.0131151)
(University of Cambridge, 23.07.2015 – NPO)